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Berlin: Ohne Heizung läuft im Palast nichts

Viele Veranstalter möchten „Erichs Lampenladen“ sofort nutzen. Die Verantwortlichen winken ab

Die Asbestbeseitigung im Palast der Republik für 60 Millionen Euro ist so gut wie beendet, und nun gibt uns das dunkelbraune Wrack vom Schlossplatz neue Rätsel auf: Wird es abgerissen oder nicht? Wenn ja – wann? Ist vielleicht eine vorübergehende Nutzung möglich, oder soll das zum Rohbau geschrumpfte Innere der Hülle dem weiteren Verfall preisgegeben sein, um schließlich ganz der Erinnerung entrückt zu werden?

„Wir bekommen jeden Tag so um die fünf Anfragen von Leuten, die in dem Gebäude Partys, sogenannte Events oder auch große, seriöse Dinge veranstalten möchten“, sagt Helmut John, der Sprecher der Oberfinanzdirektion (OFD), die den Palast gewissermaßen geerbt hat, um ihn im Auftrage des Bundes zu verwalten. Die Staatsoper möchte zum Beispiel zwischen den kahlen Betonwänden und unter vom Asbest befreiten Stahlträgern eine Oper inszenieren. Die Verantwortlichen der Sophiensäle vibrieren geradezu, ein Wagner-Projekt in das Haus zu bringen, weil es ihrer Meinung nach in ganz Europa (!) „keinen spannenderen Ort“ als diesen abgewrackten Rohbau geben soll. An der TU existiert sogar ein Forschungsprojekt („Urban Catalyst“), das demnächst im Staatsratsgebäude Vorschläge für eine Zwischennutzung vorstellen will.

Die Gier nach dem Kick im Ambiente des Morbiden scheint so groß wie das Verlangen, im Roh-Palast den Untergang der DDR nachzuerleben, symbolisch, versteht sich, in faszinierender Kulisse aus unfertigem und undekoriertem Beton. Für jeden etwas: Im Bezirksamt war auch schon von schlichten Besichtigungstouren die Rede. Der einstige DDR-Bürger zeigt seinen Westfreunden und -verwandten, wo er, mit dem Blick zum Dom, Ragout fin gegessen und im Großen Saal gesessen hat und wo die Volkskammer tagte, ehe sie in panischer Angst vor Asbestfasern das Haus verließ.

Gegen ein wenig Entgelt – Rentner bekommen Ermäßigung – würde diese Idee zur materiellen Gewalt bei der Haushaltkonsolidierung, und damit es nicht ganz so trostlos und gruselig ist im Leichenschauhaus, spielen in jedem Saal Multi-Kulti-Straßenmusikanten; wenn der Kanzler kommt, begleitet das Palast-Orchester das Ballett vom Friedrichstadtpalast.

Aber im Ernst: Alle Pläne scheitern wahrscheinlich am Geld. Zu DDR-Zeiten hatte der Bau Unsummen verschlungen, da spielten Millionen keine Rolle. Heute beziffert die Oberfinanzdirektion die vorübergehende Belebung von „Erichs Lampenladen“ mit mindestens zehn Millionen Euro. Sind Toiletten, Garderobenfrauen und Feuerlöscher neuerdings so rapide im Preis gestiegen?

Helmut John zählt auf, was zu tun wäre: Man müsste zunächst die Fußböden im Volkskammerteil, im Foyer und im Großen Saal begradigen, „die sehen aus wie eine Mondlandschaft“. Dann brauchten die Veranstalter Stühle oder Sessel, Stromanlagen, neue Treppen samt Geländer, Abdichtungen, weil es zur Zeit überall zieht, eine Heizung, Toiletten, Abwasser. „Das ist ein zu hoher Brocken für jeden, der dort kurzfristig Veranstaltungen machen will“, sagt Helmut John und ahnt, dass Hans Eichel „keine müde Mark“ in das Projekt investieren würde. Die Stadt Berlin ohnehin nicht.

Wie geht es weiter? „Mit der Asbestbeseitigung und Sicherung des Hauses ist unser Auftrag erfüllt – der Abriss ist dann eine politische Frage“, sagt das Bundesbauamt. Der asbestfreie Palast gehört dem Bundesfinanzministerium, für einen Abriss wäre jedoch wieder das Bauressort zuständig. Zwischen diesen beiden Ministerien wird die Zukunft des Hauses entschieden, oder noch eine Etage höher. „Aber vielleicht wird alles anders“, sagt ein Mann vom Bauministerium, „unser neuer Chef Manfred Stolpe mit seinem Ost-Herz könnte eine eigene Beziehung zu dem Kasten und seiner Weiterverwendung haben. Weiß man’s?“

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