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Insbesondere vor den Sommerferien suchen junge Mädchen mit ausländischen Wurzeln Hilfe.

© picture alliance / dpa

Online-Beratung gegen Zwangsehen: „Papatya“ droht das finanzielle Aus

Wohin können sich junge Mädchen wenden, wenn sie fürchten, dass ihre Eltern sie gegen ihren Willen verheiraten wollen? Eine Berliner Online-Beratung steckt in der Krise.

Berlins Frauenbeauftragte sorgen sich um den Bestand der Online-Beratung für junge Mädchen, die von Zwangsehen bedroht sind. Dem Angebot der Kriseneinrichtung "Papatya" drohe zum Jahresende das finanzielle Aus, teilte der Verein auf Anfrage mit.

Grund sei unter anderem der Wegfall von Stiftungsgeldern und das Auslaufen eines Bundesprogrammes. Der Verein "Papatya" fordert, dass Berlin nun die volle Finanzierung der beiden Stellen übernimmt. Denn die meisten Mädchen, die sich meldeten, lebten in der Hauptstadt. Das Land sieht das anders.

Insbesondere vor den Sommerferien suchen junge Mädchen mit ausländischen Wurzeln Hilfe, weil sie befürchten, dass ihre Eltern sie während des Urlaubs in der Heimat gegen ihren Willen verheiraten wollen. Verlässliche Zahlen über das Ausmaß von Zwangsehen in Berlin gibt es nicht. Im November 2018 veröffentlichte der Berliner Arbeitskreis gegen Zwangsverheiratung Zahlen aus einer Umfrage unter rund 1000 Hilfseinrichtungen und Schulen in der Hauptstadt. Danach gab es 2017 in 570 Fällen Beratungen zum Thema Zwangsehe.

Die meisten Betroffenen waren Mädchen zwischen 16 und 21 Jahren mit arabischen und türkischen Wurzeln. 117 Mal wurde eine Zwangsheirat nach der Umfrage vollzogen, 92 Mal war sie konkret geplant, 113 Mal wurde sie befürchtet. "Wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer viel höher ist", sagt Petra Koch-Knöbel, Frauenbeauftragte in Friedrichshain-Kreuzberg. 

Auch deshalb hält sie Online-Beratung für sehr wichtig. Dort können sich Mädchen in Angst und Not auch anonym melden - die Hemmschwelle ist bewusst niedrig. "Im vergangenen Jahr haben wir hier 80 Fälle beraten, die meisten Mädchen stammten aus Berlin", berichtet eine Psychologin des Vereins "Papatya". Das Online-Angebot gibt es seit 2004. Bisher finanziert die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung eine halbe Stelle mit rund 25.000 Euro im Jahr. Die übrigen eineinhalb Stellen deckte der Verein in den vergangenen Jahren unter anderem durch Stiftungsgelder, EU-Gelder, das Bundesprogramms «Demokratie leben» sowie Zuwendungen einzelner Bundesländer. 

Brandenburg ist noch dabei

Das Bundesprogramm läuft jedoch Ende des Jahres aus. Auch Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind aus der Förderung ausgestiegen, um eigene Hilfsprogramme aufzulegen. Nur das Land Brandenburg ist nun noch mit 6000 Euro im Jahr mit dabei. Der Verein fordert deshalb nun 86.000 Euro zusätzlich aus Berlin, um seine Arbeit mit zwei Stellen fortsetzen zu können. 

Im Haushalt für 2020 sei die Berliner Förderung bereits um rund 4000 Euro auf 29.077 Euro erhöht worden, sagte eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung. Die Online-Beratung sei sehr wichtig, die Senatorin begrüße die Arbeit ausdrücklich und werde sie auch im Rahmen der Haushaltsberatungen unterstützen. "Papatya" gehe es aber um die Ausfinanzierung einer bundesweiten Beratung allein durch das Land Berlin. Dafür sieht sich der Senat nicht zuständig. 

"Wenn uns die Online-Beratung von Papatya wegfällt, haben wir ein großes Problem", sagte die Frauenbeauftragte Koch-Knöbel. Denn die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes hat ihr Online-Beratungsangebot bereits seit diesem Juli eingestellt. "Wir schätzen die Arbeit von Papatya sehr, es braucht dieses Angebot, auch mit öffentlicher Finanzierung", sagte eine Sprecherin für Terre des Femmes. (dpa)

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