zum Hauptinhalt
Roland Weber, 46, ist Anwalt und seit 2012 Berlins ehrenamtlicher Opferbeauftragter. Seit Montag vertritt er Tina K., die Schwester des zu Tode geprügelten Jonny K., vor Gericht.

© dpa

Opferbeauftragter Roland Weber zum Fall Jonny K.: "Auch Tina K. ist in einer Opferrolle"

Der Senatsbeauftragte für Kriminalitätsopfer, Roland Weber, über den Prozess gegen die mutmaßlichen Alex-Schläger, die größten Sorgen von Geschädigten und was er zukünftig verändern will.

Sie vertreten seit vielen Jahren Geschädigte vor Gericht, sind Berlins neuer Opferanwalt und stehen seit Montag Jonny K.s Schwester Tina im Prozess gegen die mutmaßlichen Täter als Rechtsanwalt zur Seite. Wie haben Sie die junge Frau auf das für sie belastende Verfahren vorbereitet?
Tinas Bruder wurde totgeprügelt, letztlich ist sie da auch in einer Opferrolle. Wir haben schon lange vorher alles intensiv durchgesprochen und den Gerichtssaal zusammen besichtigt. Ich habe sie darauf vorbereitet, dass die Beschuldigten erst alles bestreiten oder sich gegenseitig beschuldigen werden. Und dass wir uns im Prozess Schicht um Schicht zur Wahrheit vorarbeiten müssen. Deshalb reagierte sie wohl heute recht gefasst auf die Dementis der Angeklagten.

Sie sind Opferanwalt, fordern zugleich aber mehr Geld für die Präventionsarbeit mit Problemjugendlichen wie den mutmaßlichen Tätern, die Jonny K. erschlugen. Widerspricht sich das nicht?
Keineswegs. Opferschutz bedeutet auch Gewaltprävention. Wenn die Geschädigten krimineller Taten Hilfe brauchen, ist es ja eigentlich schon zu spät. Wir können nur Reparaturbetrieb sein. Deshalb habe ich gleich Kontakt mit Tina K. und deren Initiative „Ich bin Jonny“ aufgenommen. Und setzte ich mich dafür ein, dass Angebote wie das akut bedrohte Neuköllner Projekt „Heroes“ für muslimische Jugendliche erhalten bleiben. Dort wird beispielsweise aufgearbeitet, dass nichts kläglicher ist als Respekt, der auf Angst und verqueren Ehrenkodexen basiert.

Reichen die schon bestehenden Hilfen für Opfer in Berlin aus?
Es gibt bereits den Weißen Ring, die Opferbeauftragten der einzelnen Polizeidirektionen, den Berliner Krisendienst und ein engmaschiges Netzwerk verschiedenster Angebote für Opfer von häuslicher oder homophober Gewalt. Diese Einrichtungen leisten alle gute Arbeit. Wir brauchen nicht mehr Helfer, aber wir müssen die existierenden Angebote endlich populär machen. 90 Prozent der Bevölkerung kennen sie gar nicht. Vielen ist auch gar nicht klar, welche Rechte sie als Opfer haben. Wir müssen das mehr ins Bewusstsein der Menschen rücken.

Wie wollen Sie das erreichen?
Ein Beispiel. Ich habe kürzlich das türkische Konsulat besucht und dessen Mitarbeitern die Berliner Hilfsprojekte für Opfer vorgestellt. Geschädigte mit türkischer Abstammung wenden sich oft zuerst hilfesuchend an das Konsulat. Dort bekamen sie aber bisher nur wenig Informationen. Die Angebote waren den Ansprechpartnern kaum bekannt. Das hat sich inzwischen geändert, jetzt liegen im Konsulat auch die Infoblätter der Hilfsprojekte in türkischer Sprache aus.

"Häufig sind es kleine Dinge mit großer Wirkung"

Was haben Sie noch in den ersten sieben Monaten ihrer Amtszeit bewirkt?
Häufig sind es kleine Dinge mit großer Wirkung. So habe ich die Leitfäden für rasche Hilfe, die auf der Website des Opferbeauftragten stehen, auf Türkisch und Russisch übersetzen lassen. Französische und spanische Varianten folgen demnächst. Außerdem war das Merkblatt der Polizei für Menschen, die als Opfer Anzeige erstatteten, noch im vergangenen Jahr völlig unverständlich und teils überholt. Obwohl dieses Blatt ja den Opfern klarmachen soll, welche Rechte sie haben und wie sie sich am besten verhalten sollen. Das hatte ich schon früher kritisiert, aber damals eben nur als Anwalt mit entsprechend wenig Resonanz. Seit ich nun als Opferbeauftragter des Justizsenators aufkreuze, werde ich viel ernster genommen. Das Infoblatt ist inzwischen gut überarbeitet. So gesehen verstehe ich mich als Lotse zwischen Polizei, Behörden, Justiz und den Opfern.

Welche Aktivitäten haben Sie sich für die nächste Zeit vorgenommen?
Zum einen müssen wir Fälle von Stalking rascher in den Griff bekommen. In Bremen gibt es dazu ein erfolgreiches Projekt, das Berlin gut übernehmen könnte. Mit der Justizverwaltung bin ich darüber intensiv im Gespräch. Derzeit läuft es bei uns noch so ab, dass sich Stalkingopfer an die Polizei wenden – und danach passiert oftmals lange Zeit kaum etwas. Das Opfer wird weiter tyrannisiert, bis die Justiz endlich eingreift. In Bremen werden Anzeigen von Polizei und Justiz gleich weitergegeben an eine soziale Einrichtung mit psychologisch geschulten Helfern, die sich sofort an den Täter wenden und ihm Hilfen anbieten. Stalker sind ja zu 80 Prozent Männer, die oft arbeitslos sind und sich in die Verfolgung früherer Partnerinnen verrennen. Ihnen wird in Bremen nun aus dieser Endlosschleife herausgeholfen und die Opfer sind ihren Peiniger rascher los. Dieses Projekt hat inzwischen eine Erfolgsquote von 70 Prozent.

Was wollen Sie noch auf den Weg bringen?
Opfer und Täter in Berlin müssen viel zu lange auf die Gerichtsverfahren warten. Die derzeitige Situation ist unsäglich. Vor allem im Bereich der Kleinkriminalität, beispielsweise nach einer Sachbeschädigung oder Körperverletzung, dauert es oft ein Jahr bis zum Verhandlungsbeginn. Die Opfer können zuvor nicht mit dem Erlebten abschließen, erfahren nicht die Beweggründe der Täter und wie diese vorgingen. Grund sind personelle Engpässe in der Justiz. Das muss sich ändern, da werde ich nicht lockerlassen.

Das Internetangebot des Opferbeauftragten erreicht man über die Website der Senatsjustizverwaltung

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false