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Opposition befürchtet "Freizeitvollzug": Haftlockerung für Mörder abgelehnt

Brandenburgs Justizminister Schöneburg stößt mit seinen Plänen zur Haftlockerung auf Widerstand. Alles andere würde nicht die Bürger, sondern die Schwerverbrecher schützen - und auch Deutschlands föderale Struktur könne Probleme bereiten.

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Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) stößt mit seinem Vorhaben, Schwerkriminellen künftig deutlich früher Freigang zu gewähren als bisher, auf breiten Widerstand. CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte, er hoffe, dass kein CDU-regiertes Bundesland Schöneburgs Initiative folge. Die Pläne seien ein „Schlag ins Gesicht der Opfer“ und widersprächen dem „Sühnegedanken“ des Strafvollzugs.

Auch Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) lehnt das Vorhaben ab, zu lebenslanger Haft verurteilten Straftätern bereits nach fünf statt wie bisher erst nach zehn Jahren Haft den ersten Langzeit-Freigang von 21 Tagen zu gewähren. Der Vorstoß aus Brandenburg sei „zu weitgehend“, er sehe die Pläne skeptisch und wolle die vorgezogene Haftlockerung nicht in ein eigenes Landesgesetz übernehmen, sagte er am Dienstag.

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte, es sei skandalös, „Schwerverbrecher bereits nach kürzester Zeit wieder auf Bürger loszulassen“. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten kritisierte, Schöneburgs Gesetzespläne würden nicht die Bürger, sondern die Schwerstverbrecher schützen und seien aberwitzig. Dann drohe deutschlandweit ein Flickenteppich, da jedes Bundesland bei der Freigangsregelung eigene Wege gehe. Der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut, sprach von einem „Experiment auf Kosten der Sicherheit“.

Tatsächlich ist der von zehn Bundesländern erarbeitete Musterentwurf für ein Strafvollzugsgesetz umstritten. Im Zuge der Föderalismusreform müssen die Länder eigene Gesetze für den Strafvollzug schaffen, die das bisherige Bundesgesetz ablösen.

Nicht alle Länder aber wollen die verabredete Fünfjahresfrist umsetzen und damit die Zehnjahresfrist ersetzen. Neben Berlin hat sich auch Mecklenburg-Vorpommern dagegen ausgesprochen. „Wir bleiben bei zehn Jahren. Damit haben wir bisher gute Erfahrungen gemacht“, sagte gestern Otmar Fandel, Sprecher im Schweriner Justizministerium. Aus Sachsen hieß es, ein Gesetzentwurf befinde sich in der Ressortabstimmung, zum speziellen Thema wolle man sich nicht äußern. Thüringen und Sachsen-Anhalt teilten mit, eine eigene abschließende Position zur Haftlockerung für Schwerkriminelle sei noch nicht gefunden.

Volkmar Schöneburg dagegen hält bisher als einziger Landesjustizminister öffentlich und ausdrücklich an dem Entwurf fest. Als früherer renommierter Strafverteidiger und Exrichter am Landesverfassungsgericht ist er für seine liberale Linie bekannt. Gestern verteidigte er denn auch seine Forderung nach vorzeitiger Haftlockerung. Die Verfassung gebiete es, auch bei schweren Straftätern eine Resozialisierung zu verfolgen, sagte er: „Sicherheit und Resozialisierung – und zur Resozialisierung gehören die Haftlockerungen – dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.“ Fachleute seien sich längst einig darüber, dass die Frist vorverlagert werden und auch den Lebenslangen die Möglichkeit gewährt werden müsse, Lockerungen zu erfahren, meinte Schöneburg. Allerdings sei es keinesfalls geplant, dass beantragte Hafturlaube in jedem Fall problemlos bewilligt werden sollten. Dies sei an eine intensive Prüfung durch Wissenschaftler, Psychologen oder Soziologen gebunden, versicherte Brandenburgs Justizminister.

Vorwürfe der CDU, er wolle einen „Freizeitvollzug für Verbrecher“ schaffen, wies er als „hysterisch und populistisch“ zurück. Wissenschaftliche Studien zeigten, dass Resozialisierung der beste Schutz für die Bevölkerung sei. Therapien sollten früher ansetzen und Lockerungen gezielter genutzt werden. Dies sei laut Wissenschaftlern der Königsweg, um die Rückfallquote bei Straftätern zu senken. Zugleich könnten Negativerscheinungen der Haft wie Hospitalisierung, die bereits nach vier Jahren einsetze, gemindert werden. Überdies herrsche bei der Freigangsregelung bereits heute ein Flickenteppich in Deutschland, dies sei der Preis der Föderalismusreform.

Doch selbst in Brandenburgs Landesregierung sind Schöneburgs Gesetzespläne umstritten. Beim Linke-Koalitionspartner SPD war man gestern bemüht, weder Schöneburg völlig zu demontieren, noch die Verunsicherung der Bevölkerung weiter zu schüren. „Der SPD-Fraktion liegt derzeit noch kein konkreter Entwurf einer Neuregelung vor, insofern können wir keine detaillierten Aussagen treffen“, sagte SPD-Fraktionssprecher Matthias Beigel.

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