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Berlin ist voll von Menschen, die sich über das Gesetz erheben. Das fängt beim Falschparken an.

© dpa

Ordnung in Berlin: Zeigt Respekt für die Leute vom Ordnungsamt!

Jeden Tag Anarchie, Beschimpfungen, Hohn. Doch was wäre Berlin ohne sie? Die Mitarbeiter des Ordnungsamts sind bewundernswert! Ein Kommentar.

Eine Szene, im Vorbeifliegen vom Fahrrad aus beobachtet: Zwei Ordnungsamtmitarbeiter stehen schreibend da, das Funkgerät zur Hand, notieren das Kennzeichen eines Falschparkers. Früher hätte ich vielleicht spöttisch gerufen: „Wer schreibt, bleibt.“ Heute breche ich eine Lanze für die beiden.

Bin ich jetzt reaktionär, hat mich der Rechtsruck bös’ erwischt? Aber nein, ganz im Gegenteil! Es ist Zeit für eine Umwertung aller Werte und ein Hoch auf die Verteilungsgerechtigkeit. Konkreter? Bitte sehr, diese Straßenszene in Gänze: Auf dem Gehweg am Hafenplatz rollt ein Rollstuhlfahrer Richtung Dessauer Straße. Doch der Kleinwagen an der Straßenecke parkt mitten auf dem markierten Übergang, außerdem noch in der Kurve, und versperrt den Weg.

Mag sein, dass eine solche Geste in den Augen von Obrigkeitsschmähern immer noch oberlässig daherkommt. Doch das vermeintlich über alle Regeln Erhabene ist in Wirklichkeit nur Ausdruck eines Super-Egos, das je nach Tagesform mal die einen, mal die anderen Rechte einfordert – Hauptsache, sie werden den eigenen Interessen gerecht. Berlin ist voll von Menschen, die sich über das Gesetz hinwegsetzen, und das beginnt beim Autoparken.

Die beiden Bediensteten des Kreuzberger Ordnungsamtes und alle anderen tapferen Hüter der Ordnung in Berlin müssen sich jeden Tag Hohn und Spott anhören dafür, dass sie dem Einhalt zu gebieten versuchen. Dabei dürfen sie, im Gegensatz zu mir, nicht mal eben rauslassen, was ihnen bei der Begegnung mit jenen Selbstgerechten womöglich auf der Zunge liegt.

10.553 Strafzettel pro Tag

3.862.282 Verkehrsordnungswidrigkeiten registrierte die Senatsinnenverwaltung 2016. Das sind durchschnittlich 10.553 Strafzettel pro Tag. Allein in Charlottenburg-Wilmersdorf ist es in den ersten sechs Monaten des Jahres sieben Mal zu derart krassen Übergriffen auf „Mitarbeitende des Ordnungsamtes“ gekommen, dass diese „zur Anzeige gebracht“ wurden. Höhnische Blicke, unflätige Gesten und verbale Entgleisungen werden erst gar nicht registriert.

Ich sage: Bewundernswert seid ihr, Mitarbeiter von Berliner Ordnungsämtern, jawohl: die echten Widerstandskämpfer gegen die Tyrannei der Solipsisten. Weil ihr unbeirrt weitermacht, obwohl ihr täglich wüsten Beschimpfungen ausgesetzt seid.

Und warum? Nur weil ihr dafür Sorge tragt, wonach wir uns alle sehnen: den Ausgleich zu wahren in unserer Stadt zwischen den Radlern und Rollis, den Autofahrern und Parkenden, den Fußgängern und Läufern, kurzum innerhalb des vielfältigen Volks, das unsere Straßen und Plätze, Parks und Wege nutzt. Unter denen aber immer Einzelne sind, die „nur mal ganz kurz“, wegen eines „ganz ganz wichtigen Anliegens“ die Regeln auf Kosten aller anderer brechen.

Dass das immer noch als cool und lustig durchgeht, mag Ausdruck eines verwirrten oder Actionfilm-getränkten Selbstverständnisses sein. Ich aber lege mich fest: Respekt, yo, Mann, für euch vom Ordnungsamt! Mein Wort habt ihr: Wenn ich nächstes Mal die Regeln breche, eure Strafe gilt. Recht so!

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