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Razzia im Clan-Milieu: Polizisten führen einen verdächtigen Mann ab.

© dpa

Organisierte Kriminalität in Berlin: Im Kampf gegen die Clans ist die Polizei jetzt noch mehr gefordert

Tote im Kiez: Die aktuellen Erfolge der Berliner Polizei dürfen die Gefährlichkeit der Lage nicht hinwegtäuschen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Alexander Fröhlich

So könnte man meinen: Endlich macht die Berliner Polizei Druck, geht gegen kriminelle Mitglieder deutsch-arabischer Clans vor, gegen deren Machenschaften im Bereich der organisierten Kriminalität. Zu lange konnten die Clans ungestört ihren Geschäften nachgehen. Zu lange hat der Staat geduldet, dass ein Milieu nach seinen eigenen Gesetzen und Regeln lebt.

Tatsächlich aber sind die vielen Razzien der vergangenen Wochen Ausfluss langwieriger, umfangreicher Ermittlungen. Der Eindruck, auch nach den tödlichen Schüssen auf einen bekannten Intensivtäter, aber ist nun: Die Lage eskaliert.

Gewiss – es wurde jenen, die da vor Jahrzehnten aus dem Libanon als Staatenlose nach Deutschland gekommen sind, nicht leicht gemacht. In der Dauerwarteschleife als Geduldete konzentrierten sie sich auf die Großfamilie und verlegten ihre Geschäft in die Unterwelt. Dass Polizei und Staatsanwaltschaft nun energisch gegen die Clans vorgehen und Recht und Gesetz durchsetzen auch in diesen Parallelwelten – nichts anderes darf erwartet werden.

Dabei greifen die Ermittler auf Methoden aus dem erfolgreichen Kampf gegen kriminelle Rockergruppen zurück. Täterorientiert nennt sich das. Ermittler behalten kriminelle Clanmitglieder im Blick, jede noch so kleine Ordnungswidrigkeit, jedes Vergehen, jede Straftat wird verfolgt. Das bleibt nicht ohne Folgen: Wessen Wohnung durchsucht, wer vorübergehend festgenommen und vernommen wird – bei dem bleibt etwas zurück.

Die Sparpolitik der vergangenen Jahr rächt sich

Und es gibt Beifang, wie es Ermittler nennen. Neue Erkenntnisse, neue Ansätze. Es ist noch mehr nötig: Der Bezirk Neukölln etwa zeigt, wie es geht, wenn bei Kontrollen Polizei, Zoll, Finanzamt und Ordnungsamt gemeinsam Druck machen. Jugendämter und Jugendrichter haben den Nachwuchs der Clans im Blick. Doch auch das hat Grenzen, sagen selbst Ermittler. Der Zugang zu diesen Familien ist begrenzt.

Die jüngsten Erfolge dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, wie gefährlich die Lage ist. Wenn auf offener Straße Menschen erschossen werden, wenn aus Autos auf Clanmitglieder gefeuert wird, wenn ein Streit um einen Parkplatz eine Massenkeilerei zwischen Großfamilien auslöst, Schlagstöcke und Pistolen gezückt werden – dann geht es um Leib und Leben auch von Unbeteiligten. Erst recht, wenn nun Racheakte drohen. Um eine Welle von blutigen Attacken unter den Clans zu verhindern, ist die Polizei – seit Jahren ohnehin am Limit – noch mehr gefordert. Ausgerechnet jetzt, wenige Wochen vor den anstehenden Großereignissen, vor dem Berlin-Marathon, vor dem Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, vor den Feiern zur deutschen Einheit. Hinzu kommt die bundesweite Lage: Berliner Beamte fahren selbst nach Köthen in Sachsen-Anhalt, damit es nach einem Tod eines Deutschen im Streit mit Asylbewerbern nicht zu Ausschreitungen wie zuvor in Chemnitz kommt.

Der aktuelle Fall zeigt erneut: Der in den Sparjahren verursachte Personalmangel rächt sich. Der Senat hat das erkannt und steuert gegen. Die Verluste aufzuholen, wird aber Jahre in Anspruch nehmen. Hoffentlich keine, die weiteren Blutzoll fordern.

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