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Groeningen

© Kitty Kleist-Heinrich

Orte der Stille: Dornröschens Domizil

In der Königlichen Gartenakademie ziehen sich Menschen und Pflanzen in die Gewächshäuser zurück Dort glänzt jetzt der Advent rot und grün. Gartenspezialistin Isabell van Groeningen ist hier zu Hause

Die Leute sagen, hier fühlt man sich wie im Dornröschenschloss: An den Wänden die Hagebutten tragenden Rosenstöcke und tiefroten Weihnachtssterne, die mit Moos bedeckten Simse entlang der bleiverglasten Wände, über den Köpfen baumeln Misteln und der Gewächshaushimmel hängt voller Glaskugeln: drei Sorten Grüntöne und ein paar dunkelrote. Um die grünen von verschiedenen Händlern zusammenzutragen, brauchte unser Team Monate.

Wir haben früh angefangen: Seit November weihnachtet es draußen in den Markthütten auf dem Freigelände unserer Königlichen Gartenakademie, im langen Verbindungsgang zwischen den zehn Gewächshäusern und in den Geschäften unter Glas. Die Leute kennen dieses Gelände, auf dem Anfang des 20. Jahrhunderts die Topleute ausgebildet wurden, die die Villengärten anlegten, eher aus den Pflanzmonaten. Wir sind ja für Gartengestaltung zuständig. Und die hat irgendwie immer Saison. Nur jetzt, wo nicht mehr so viel wächst, ziehen wir uns mit den Pflanzen eben unter Glas zurück.

Duftet es hier im Mittelgang nicht herrlich? Das sind die Hyazinthen, die bei Zimmertemperatur nach und nach aufblühen. Heute ist es besonders still hier. Mittags, wenn die Leute ins Café Lenné am Ende des Flures kommen, brummt und summt der Gang, aber die Atmosphäre hat etwas Friedliches. Und all dieses Rot und Grün: Für mich sind das die Farben des Advents, erdverbunden wie ich.

Vom Gärtnern war ich schon als kleines Kind begeistert. Meine Eltern hatten ein Wochenendhaus nicht weit von meiner Geburtsstadt Antwerpen. Noch als Teenager war ich glücklich, dort draußen zu sein. Andere gingen zu Partys, ich wollte pflanzen. Das habe ich von meinem Vater, der war ein bekannter Gartenbauspezialist. Ich liebe ja Berlin, aber – spüren Sie das auch manchmal? – diese Stadt vibriert förmlich. Da komme ich nicht zur Ruhe, selbst in meiner Wohnung in Charlottenburg ist das so. Ich gebe zu, ich fliehe gern hierher zu meinem Arbeitsplatz. Das ganze Gelände hat eine bestimmte Aura, strahlt eine solche Ruhe aus. Das Abendlicht ist besonders schön. Man merkt, wie der Garten sich entspannt. Welch ein Luxus, hier arbeiten zu dürfen. 25 Jahre lang habe ich in England gelebt, zweimal war ich seither nur dort und manchmal vermisse ich es auch. Aber ich würde nie wieder zurückgehen ohne das Ganze hier. Als ich das Gelände zusammen mit meiner Geschäftspartnerin Gabriella Pape 2005 entdeckte, war das „love at first sight“. Dies ist mein Zuhause.

Drei Aufgabengebiete habe ich hier: die Gartenschule, den Stauden- und Adventsverkauf meiner Firma „Mohn und mehr“ und die Pflanzenberatung und -gestaltung. Im Winter sitze ich meist im Büro in einem der Glashäuser am Schreibtisch, denn wir planen schon jetzt das nächste Gartenjahr. Ich will viel verändern, Beete ganz neu gestalten, Pflanzen hierher bringen, die den Berlinern noch nicht so geläufig sind. Ich habe zum Beispiel Passionsblumen ausgesät, und wir haben angefangen mit der Pflanzenvermehrung. Im Januar geht es wieder los mit den Seminaren, auch solchen für Profis. Dann sitzen wir im Glashaus zusammen, alle haben ihre Pläne und Fotos und Hochglanzmagazine dabei. Sich von den Bildern inspirieren zu lassen, macht Spaß. Auch das ist gut für die Seele. Aber die Umgebung hier ist ja selbst außerhalb der Saison inspirierend.

Es gibt immer einen Grund, sich vom Schreibtisch wegzustehlen. Ich liebe es, Blumenzwiebeln zu setzen – das nährt die Hoffnung auf den Frühling. Höchste Zeit, die Zwiebeln haben schon grüne Nasen. Oder ich mache mit bei der Adventsdekoration im langen Flur. Das macht Freude, es ist so wunderbar hell in den restaurierten Glashäusern.

Ich mag aber auch den Kontakt zu den Kunden. Na gut, in der Hauptsaison komme ich mir manchmal vor wie auf dem Piccadilly Circus. Dann verziehe ich mich ins frühere Wurzelbeobachtungshaus, das kleine Steingebäude da drüben. Von dort habe ich den vollkommenen Überblick. Ich sehe den Leuten zu, wie sie übers Gelände flanieren, und drei bis vier Stunden später sind sie immer noch da. Selbst wenn sie in der Schlange an der Kasse stehen, sind die Menschen total entspannt. Dann sagen sie einem: Wissen Sie, wenn wir was für die Seele brauchen, dann kommen wir zu Ihnen. Das ist das schönste Kompliment.

Das Jahr über habe ich mit Freude eine kleine alte Dame beobachtet, die kam jede Woche einfach zum Schauen und Schnuppern vorbei. Ich glaube, sie hatte zu Hause keinen Garten mehr. Aufgezeichnet von Susanne Leimstoll

Adventsmarkt in der Königlichen Gartenakademie, Altensteinstr. 15a, Dahlem: Freitag, Sa. und So. 11 bis 17.30 Uhr. Winteröffnungszeiten: Di. bis So. 11 bis 17.30 Uhr.

 Susanne Leimstoll

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