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Berlin: Ostanwälte dürfen auch vor West-Gerichte ziehen, umgekehrt ist dies aber nicht möglich

Diesmal West gegen Ost. Der Ärger von West-Anwälten über das künftig unbeschränkte Auftreten ihrer Ost-Kollegen ist schneller vor dem Bundesverfassungsgericht gelandet als erwartet.

Diesmal West gegen Ost. Der Ärger von West-Anwälten über das künftig unbeschränkte Auftreten ihrer Ost-Kollegen ist schneller vor dem Bundesverfassungsgericht gelandet als erwartet. Das Büro Wagensonner u. Kollegen aus Berlin und München hat bereits Verfassungsbeschwerde eingelegt: Seine drei Berliner Anwälte seien "gegenüber den in den neuen Bundesländern zugelassenen Rechtsanwälten stark benachteiligt", heißt es in der Beschwerde. Karlsruhe hat bereits ein Aktenzeichen zugeteilt, 1 BvR 1908/1999. Die Kläger verlangen bis Jahresende eine einstweilige Anordnung des Gerichts, um eine Bestimmung der Zivilprozessordnung außer Kraft zu setzen.

Es geht, wie berichtet, um eine kuriose juristische Situation. Die Rechtsanwälte in den neuen Ländern genießen mit dem Segen des Bundesverfassungsgerichts längstens noch bis zum Jahr 2004 "Konkurrenzschutz". Jeder von ihnen kann im gesamten Osten auftreten. West-Anwälte haben keinen Zutritt, sofern sie nicht Niederlassungen gründen. In Westdeutschland und Berlin hingegen gilt die traditionelle Regel, dass Anwälte nur bei dem Landgericht antreten können, bei dem sie zugelassen sind ("Lokalisation"). Das schließt beispielsweise Berliner von München aus und Leipziger von Berlin. Im Ergebnis sind jedenfalls Ost-Anwälte auf den Osten beschränkt und West-Anwälte auf ihren westlichen Gerichtsbezirk.

Im Westen wird die "Lokalisation" aber zum 1. Januar nächsten Jahres abgeschafft. Alle Landgerichte stehen dann jedem Anwalt frei. Das wird die Folge haben, dass alle Ost-Anwälte auch vor die West-Gerichte ziehen können. Der Osten jedoch bleibt weiter vor der West-Konkurrenz geschützt.

"Insbesondere für in Brandenburg zugelassene Rechtsanwälte gibt es fortan keine Hinderungsgründe mehr, auch am Kanzleisitz der Antragsteller verstärkt um Mandate zu werben und diese selbst zu betreuen", heißt es in der Verfassungsbeschwerde, ohne dass die Berliner ihrerseits den Wettbewerb in Brandenburg aufnehmen könnten. Gerade die Vertretung von Berliner Mandanten werde für Rechtsanwälte aus Brandenburg besonders attraktiv werden, zumal sie auch noch mit den reduzierten Ost-Gebühren (10 Prozent Abschlag) und mit der Möglichkeit werben können, im gesamten Osten aufzutreten. Und außerdem "ist ein Potsdamer Kollege aufgrund der guten Anbindung schneller beim Landgericht Berlin als ein in den Berliner Randbezirken ansässiger Kollege".

Kurz: Die West-Anwälte fühlen sich "willkürlich" benachteiligt, weil sie selbst nicht in den Osten dürfen. Ihre "Wettbewerbsposition" sei geschwächt, ihre berufliche Tätigkeit "in existenzieller Weise" berührt.

Die Verfassungsbeschwerde zielt zwar darauf, die Juristen aus den neuen Ländern vorerst aus Berlin fernzuhalten. Grundsätzlich machen die Kläger aber klar, dass sie unbeschränkte Konkurrenz für angemessen halten, wie sie erst im Jahr 2004 eintreten wird: Zutritt für jeden Anwalt vor jedem deutschen Landgericht. Einen Konkurrenzschutz in Ostdeutschland halten die Berliner nicht mehr für angebracht.

Hans Toeppen

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