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Berlin: Oswalds Woche: Stolz, ein Neuköllner zu sein

Ist Ihnen auch aufgefallen, dass es in letzter Zeit mehr Parkplätze gibt? Wo man hinfährt, zur Arbeit, zu Freunden, in den Club oder nach Hause - überall findet sich ein Parkplatz direkt vor der Tür.

Ist Ihnen auch aufgefallen, dass es in letzter Zeit mehr Parkplätze gibt? Wo man hinfährt, zur Arbeit, zu Freunden, in den Club oder nach Hause - überall findet sich ein Parkplatz direkt vor der Tür. Vor allem in Mitte. Dort, wo es nachts am meisten brummt. "Das liegt nur an Deiner Einstellung", sagt meine Freundin zu mir. "Du suchst nicht, Du findest". Vielleicht liegt es auch an den Börsenkursen. Alle, die zu spät ihre Aktien verkauft haben, müssen ihre Autos versilbern. Wer viele Aktien hatte, hat mehr verloren als Leute, die wenige Aktien hatten. Die Welt ist ungerecht. Dafür gibt es noch ein Beispiel: Neukölln. Nirgendwo gibt es so wenige freie Parkplätze wie in Neukölln. Ich habe dort einmal einen Freund zum Essen besucht und eine halbe Stunde lang keinen Parkplatz gefunden. Nie wieder Neukölln. "Ich bin stolz, ein Neuköllner zu sein", sagte dagegen der Gastgeber, ein Zuwanderer von der Mosel. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Zuwanderer die eifrigsten Verteidiger ihres neuen Biotops sind? In den 80er Jahren haben 20-Jährige, die gerade aus Schwaben zugezogen waren, in Kreuzberg die alten Arbeitertraditionen gegen die Vermietermafia verteidigt. Kreuzberg damals - dieses Flair. In den 90er Jahren haben wiederum 20-jährige schwäbische Hausbesetzer Friedrichshain gegen die West-Okkupation verteidigt. Und heute redet niemand euphorischer über Mitte und Prenzlauer Berg, als diejenigen, die in den letzten drei Jahren zugezogen sind. Und diejenigen, die schon vor acht Jahren dorthin zogen, sagen, dass früher alles besser war. "Pankow? Nein danke", sagt der Neuberliner Alfred Biolek, der kürzlich eine Wohnung in Prenzlauer Berg bezogen hat. In seinem lokalpatriotischen Widerstand gegen die Zuordnung Prenzlauer Bergs zu Pankow steht er ganz in Einklang mit Wolfgang Thierse. "Ich finde es absurd, den Namen Prenzlauer Berg abzuschaffen. Hier war schließlich das Künstler-Viertel Ost-Berlins", sagt Biolek. Die alte DDR, was hatte die noch für ein Flair. Und welches Flair werden die heute zehnjährigen Schwaben in zehn Jahren verteidigen? Karl-Marx-Straße, Neukölln.

Boulevard Berlin: Was die Stadt bewegt...

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