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Andreas Weber, Verwaltungsleiter am Oberstufenzentrum Handel I in der Kreuzberger Wrangelstraße, zeigt eines der vielen schadhaften Abwasserrohre im Untergeschoss des Schulgebäudes.

© Kai-Uwe Heinrich

Update

OSZ Handel in Kreuzberg: Erneut Abwasser in der Lüftung

Nach einem Rohrbruch öffnete Berlins größte Schule wieder, aber die Probleme sind noch nicht behoben. Und wer zahlt die Rechnung?

Noch am Montagmittag herrschte ungewohnte Stille in Berlins größter Schule: Kein Schüler ist im Oberstufenzentrum Handel in Kreuzberg anzutreffen, nur die Putzkräfte sind unterwegs. Ab und an kreuzt der Hausmeister den Weg – und er sieht nicht glücklich aus.
Was Hausmeister Detlef Schultz umtreibt, hat mit dem zu tun, was seit Freitag zum unfreiwilligen Schulfrei führte: Die Abwasserrohre sind so marode, dass Fäkalien heraustropfen und in die Lüftungsanlage gelangen. In der Folge musste – wie berichtet – die Lüftung ausgeschaltet werden: Alle fensterlosen Toiletten konnten nicht mehr benutzt werden.

Die Schule fiel am Freitag und Montag aus, denn bei Lehrern und Schülern breitete sich nicht nur die Angst aus vor gefährlichen Darmbakterien in der Raumluft der gesamten Schule, sondern auch die Angst vor einer Asbestbelastung aus den durchtränkten Dämmmatten der Lüftungskammer. Zwar kam am Montag zunächst die Teilentwarnung: Alle Laborproben hätten ergeben, dass es in der Raumluft „keine Belastung“ gebe, – weder durch Darmbakterien noch durch Viren, und der Asbestbefund liege „weit unter dem Grenzwert“, konnte der Sprecher des zuständigen Landesbetriebes, der Berlin Immobilienmanagement GmbH (BIM), Christian Breitkreutz, bei einer Begehung des weitläufigen Gebäudes in der Wrangelstraße mitteilen. Deshalb werde auf die zunächst geplante Montage mobiler Toiletten verzichtet.

Am Montag erneut Fäkalien in der Lüftung

Das war aber noch nicht der letzte Stand, denn am Nachmittag tropften während der Arbeiten erneut „geringe Mengen“ Fäkalien in die Lüftung, so Breitkreutz. Die Folge: Es wurden am Dienstag abermals „vorsichtshalber“ Proben genommen. Für den Fall, dass sich dann doch eine Belastung der Raumluft erweist, stellte die BIM "vorsorglich Container auf, damit es zu keinen weiteren Schulausfällen kommt". Die durch die erneute Verschmutzung anfallenden Zusatzkosten sollen "gelistet und dem Auftragnehmer vorgelegt werden", wie Breitkreuz ankündigte.

Ein marodes Fenster musste der Hausmeister festhalten

Aber das ist noch nicht alles, was die Schule und die BIM umtreibt: Der Sanierungsbedarf für das Gebäude beträgt zwölf Millionen Euro, drei Millionen kommen für die Sanierung der Außenanlagen mitsamt Sporthallen dazu. Macht 15 Millionen Euro.

Zum Beispiel die Fenster. Hausmeister Schultz kann sich gut daran erinnern, dass er so ein tonnenschweres Fenster mal halb im Arm hatte, weil es fast herausgefallen wäre. Die Kälte verschlimmert das Problem: „Im Winter kann kein Schüler direkt neben einem Fenster sitzen. Es zieht“, sagt ein Mitarbeiter. Etliche Male habe es in den vergangenen Jahren Kostenvoranschläge für die Fenster gegeben. Das Ergebnis: zu teuer. Stattdessen wurde ab und an ein Fenster festgeschraubt, um es vorm Herausfallen zu bewahren – eine beliebte Methode auch an anderen Schulen.

Schulleiter Klaus-Peter Scharke sitzt derweil in seinem Büro und kann seinen Ärger kaum verbergen: „Wir haben immer wieder auf den schlechten Zustand des Gebäudes hingewiesen. Dabei ist es auch um die Abwasserrohre gegangen“, sagt Scharke im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Nach der letzten „Notsitzung“ von 2015 sei festgelegt worden, dass die Rohre 2016 repariert werden sollten. „Dann wäre die jetzige Havarie vermieden worden“, schlussfolgert Scharke.

"Darf einfach nicht noch einmal passieren"

BIM-Sprecher Breitkreutz spricht davon, dass sich durch die Unterbringung der Flüchtlinge manche Vorhaben verzögert hätten: Auch in einer Turnhalle des OSZ Handel lebten über 200 Flüchtlinge. Noch ist nicht klar, wann sie wieder hergerichtet wird – „obwohl die Flüchtlinge schon seit September draußen sind“, sagt Scharke. Es gibt zwar noch eine zweite Turnhalle, dort allerdings gibt es Probleme mit den Armaturen: Sie sind zum Teil so verkalkt, dass sie nicht gut nutzbar sind. Das OSZ habe dazu der BIM sogar einen 10-Punkte-Plan vorgelegt, berichtet Hausmeister Schultz. Nebenbei erwähnt er noch das undichte Dach. Schulleiter Scharke ergänzt, dass er wegen des eindringenden Regenwassers schon „ein paar Rechner austauschen musste“.

Aber Scharke will die Sache nicht dramatisieren: Seine Schule sei besser dran als manch' andere Berufsschule. Einerseits. Andererseits fragt er sich, warum die bis 2012 zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Rohre im Keller nicht saniert hat, als 2011 die Rohre im übrigen Haus in Arbeit waren.

„So etwas wie beim OSZ Handel darf einfach nicht noch einmal passieren“, sagt Stefanie Remlinger, Sprecherin für Bildungsfinanzierung und Berufsschulen in der Grünen-Fraktion. Deshalb sei sie „froh, dass wir als neue Koalition uns das Thema Sanierung und Instandhaltung unserer Gebäude ganz oben auf die Agenda gesetzt haben“. Dazu gehöre, „dass wir uns ganz genau anschauen werden, was die BIM braucht, um ihre Aufgaben noch besser erfüllen zu können“, kündigt Remlinger an.

336 Millionen Sanierungsstau bei den Berufs- und Eliteschulen

Laut aktuellem Gebäudescan beläuft sich der Sanierungsstau bei den Schulen in Landesträgerschaft inzwischen auf 336 Millionen Euro. Als größte Posten benannte die BIM neben dem OSZ Handel noch das OSZ für Informations- und Medizintechnik (OSZimt) in Neukölln, die Georg-Schlesinger-Schule für Maschinen-und Fertigungstechnik in Reinickendorf sowie das OSZ für Logistik, Touristik und Steuern (Lotis) in Tempelhof.
Der Unterrichtsausfall hat auch die Bildungsverwaltung alarmiert: Bildungs- Staatssekretär Mark Rackles (SPD) hat sich für den heutigen Dienstag zum Schulbesuch in der Wrangelstraße angemeldet. Hausmeister Schultz wird ihm die Schwachstellen bestimmt gern zeigen.

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