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OSZE in Berlin: Stille Beobachter

In Berliner Wahllokalen überprüfen internationale Beobachter der OSZE die demokratischen Standards der Bundestagswahlen – und scheinen zufrieden.

Die Überraschung in Wahllokal Nummer 321 ist geglückt: Als Donald Bisson und Nikolai Vulchanov die Caritas Sozialstation an der Warschauer Straße betreten, wird ihnen erst einmal angeboten, zu wählen. „Nein danke“, sagt Assistent Oliver Pahnecke höflich: „Wir möchten unsere Stimmen nicht abgeben. Wir kommen von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und würden uns gerne einen Eindruck davon verschaffen, wie die Wahlen hier ablaufen.“

Vulchanov, wie sein Kollege mit Krawatte und schwarzer Aktentasche unterwegs, legt eine Bestätigung der OSZE und seinen Ausweis vor. Die freiwilligen Wahlhelfer gucken neugierig, der Leiter des Lokals, Jens Flucke, bekommt ein rotes Gesicht und wird im Nachhinein sagen: „Ein wenig erschrocken war ich schon – man weiß ja nicht so genau, was die hier vorhaben.“ Auf einen Besuch internationaler Beobachter, die die demokratischen Standards der Bundestagswahl überprüfen, war er von Seiten der deutschen Wahlbehörden nicht vorbereitet worden. „Aber in der Presse habe ich gelesen, dass dieses Jahr zum ersten Mal Beobachter in Deutschland sind.“

Zwölf sind es insgesamt: Politikwissenschaftler, Diplomaten, der Chef der mazedonischen Wahlbehörde, vier davon sind in Berlin unterwegs. Der 61-jährige Mathematikprofessor Nikolai Vulchanov aus Bulgarien und der 53-jährige US-Jurist Donald Bisson sind bereits seit zwei Wochen in der Stadt. Sie haben sich mit den deutschen Wahlgesetzen beschäftigt, die Organisation der Wahlen begutachtet und sich mit Vertretern der Parteien und dem Landeswahlleiter getroffen. „Heute sehen wir uns acht Wahllokale in Friedrichshain-Kreuzberg an“, sagt Vulchanov. „Die Route haben wir per Zufall ausgewählt.“

Die beiden stehen zunächst etwas abwartend am Rande des Geschehens im Lokal. Hin und wieder geht ein Wähler an ihnen vorbei, ohne zu registrieren, wer sie sind. Ein vorsichtiger Blick in eine der leeren Wahlkabinen folgt, eine Frage an den Leiter des Wahllokals, wie viele Stimmen schon abgegeben wurden. „71“, sagt Jens Flucke und fügt erklärend hinzu: „In diesem Wahlbezirk wohnen viele junge Menschen. Sonntags um halb elf schlafen die noch.“

Bei einem ersten Besuch im Juli, sagt Donald Bisson, habe man bereits fest gestellt, dass es ein breites Vertrauen der Öffentlichkeit in den Ablauf der Wahlen gebe. Es sei dennoch nicht ungewöhnlich, dass Wahlen in einer stabilen Demokratie wie Deutschland beobachtet werden: Alle 56 Staaten der OSZE haben sich verpflichtet, Wahlbeobachter einzuladen. Auch in Frankreich oder den USA waren deshalb Vertreter der OSZE unterwegs. Bisson selbst hat lange für die Demokratisierungsmission der OSZE in Mazedonien gearbeitet und beobachtete zuletzt den Ablauf der Wahlen in Moldawien.

Gehen die beiden denn davon aus, dass in Deutschland etwas nicht korrekt vonstatten gehen wird? „Es gibt keine perfekten Wahlen“, sagt Vulchanov und lächelt geheimnisvoll. „Man kann immer etwas verbessern.“ Erste Eindrücke aus Berlin will er jedoch nicht verraten: „Einzelne Beobachtungen könnten einen falschen Gesamteindruck vermitteln“, sagt er. „Nächste Woche besprechen wir erst einmal alles im Team.“ In zwei Monaten soll der Bericht über die deutschen Wahlen dann online zu lesen sein.

Jens Flucke, der schon seit zehn Jahren als freiwilliger Helfer bei Wahlen dabei ist, gibt noch Auskunft über behindertengerechte Wahllokale („Einmal mussten wir einen Rollstuhlfahrer zwei Stockwerke nach oben tragen“), über Ersatzurnen, damit sie vor lauter Stimmzetteln nicht überlaufen, und die Frage, was passiert, wenn Briefwähler doch lieber persönlich ihr Kreuz machen wollen – das sei kein Problem.

Vulchanov und Bisson nicken freundlich zum Abschied und machen sich dann auf ins nächste Lokal. Und Wahllokalleiter Flucke? Der atmetet auf. „Das war ja unproblematisch“, sagt er. „Ich glaube, sie waren zufrieden.“

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