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Berlin: Otto Schily: Fruchtbarkeitsgöttin mit Langzeitwirkung

Ein paar kleine Seitenhiebe auf die Stolz-Debatte vermochte sich Otto Schily nicht zu verkneifen. Dabei gibt es eine Art von Stolz, die auch für einen Altlinken und inzwischen arrivierten Minister politisch durchaus wagbar ist: der auf den eigenen Großvater.

Ein paar kleine Seitenhiebe auf die Stolz-Debatte vermochte sich Otto Schily nicht zu verkneifen. Dabei gibt es eine Art von Stolz, die auch für einen Altlinken und inzwischen arrivierten Minister politisch durchaus wagbar ist: der auf den eigenen Großvater. Um den drehte sich alles bei einer dieser für Berlin so typischen Sonntagmorgenveranstaltungen, bei denen sich Woche für Woche an verschiedenen Punkten der Stadt eine erstaunlich große Anzahl von Menschen versammelt, um eine Messe für die Hochkultur zu zelebrieren.

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Hier also kamen über hundert Kunstbegeisterte ins Bröhan-Museum zur Vernissage einer Sonderausstellung zum Preußenjahr mit Pretiosen aus der Königlichen Porzellanmanufaktur von 1889 bis 1939. Deren Leiter war Theodor Schmuz-Baudiss zwischen 1908 und 1925, und Enkel Otto Schily erzählte dem staunenden Publikum, wie es dazu kam, dass der Künstler, der als Maler bereits Erfolge gefeiert hatte, sich dem Kunsthandwerk widmete. "Meine Großmutter brauchte aus gesundheitlichen Gründen immer frische Ziegenmilch", berichtete er aus der Familienchronik. Die gab es bei einem Töpfer in Gießen. Eines Tages, das war im Jahr 1896, regnete es ganz fürchterlich, und der Maler suchte mit seiner Staffelei beim Töpfer Unterschlupf. Aus lauter Langeweile begann er sich mit den Gefäßen zu beschäftigen. Der Regen gab also den Ausschlag für eine große Karriere. Kuratorin Ingeborg Becker hielt dann noch einen kleinen Vortrag über die Geschichte der Manufaktur. Dabei gewann sie minütlich mehr Zuhörer, die sich flüsternd über ihre Marathon bedingten Verspätungen austauschten. Wer denkt, zur Rush Hour sei was los, sollte den Sonntagmorgen probieren. Urbane Menschen hält es dann einfach nicht im Haus. Die Kuratorin also hob einzelne Werke hervor, die sich durch besondere Zeitlosigkeit auszeichnen. (Die Märzvase etwa würde sich heute in jedem Luxusgeschäft gut ausmachen.) Sie lobte die feinfühlige Ornamentik und die schlichten ostasiatischen Formen, die damals internationale Preise nach Berlin zogen, und sie vergaß auch nicht, den Einzug des Direktors in seine Dienstwohnung in der Berliner Straße zu erwähnen. Man darf wohl annehmen, dass der legendäre Großvater auch ein bisschen stolz gewesen wäre, wenn er denn Gelegenheit gehabt hätte, mit dabei zu sein, wie der Enkel, der es zum Minister gebracht hat, Museums-Leiterin Margrit Bröhan eine Lithographie überreichte. Sie zeigt den künstlerischen Direktor mit verschmitztem Lächeln bei der Arbeit.

Schily hat seinen Großvater noch erlebt, erinnert sich an einen überaus lebenssprühenden Mann. Ja, er selbst malt auch ein bisschen, "aber natürlich nicht so", sagt er mit einer gleichzeitig stolzen und leise resignierten Handbewegung beim anschließenden Rundgang. Das eine oder andere Stück erkennt er wieder, und verrät auch seinen Traum: "Töpfern hätte ich gerne gelernt." Dazu ist es, wenn man sich vor hohen Messlatten nicht scheut, ja nie zu spät.

Nach Ceres, der altitalischen Göttin der Fruchtbarkeit, die auch als Begründerin der Gesetzgebung gilt, ist eines der ausgestellten Hauptwerke von Theodor Schmuz-Baudiss benannt. Er entwarf es 1913 zum 150-jährigen Bestehen der KPM, und es gilt bis heute als beispielhaft für die Symbiose von preußischer Tradition und moderner Gestaltung. Von diesem Porzellan mit strengen Formen und leuchtenden Farben isst man im Hause Schily an hohen Festtagen auch heute noch. Vielleicht hat der Anblick ja eine prägende Wirkung auf den Innenminister gehabt. Die dominierenden Farben sind grün, rot und gold.

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