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Berlin: Pack die Lederhose ein

Beim Fetischfest in Schöneberg traf sich die Sadomaso-Szene Sie ist heterogener, als mancher Baumwollträger es sich vorstellt

Manche Gummimänner sehen ziemlich glibberig aus, wie riesige Frösche. Jörg aus Bremen bevorzugt dabei matteres Schwarz. Wichtig ist bei Gummi ohnehin etwas ganz anderes: „Man ist in seiner eigenen Flüssigkeit eingeschlossen. Muss man mögen“, sagt Jörg mit Fistelstimme.

Die Gummimänner sind durchweg etwas kleiner und schmaler als die Ledermänner. Leder verleiht Härte und Macht, man ist unverwundbar. Gummi bedeutet genau das Gegenteil.

Das muss der Baumwoll-Durchschnittsmensch nicht unbedingt wissen, wenn er „Folsom Europe“ besucht, das Straßenfest der schwulen Leder-Fetischszene. Es gibt auch so viel fürs Auge. Ein Mann in schicker Uniform der „US State-Patrol“, sandfarben, mit Lederhandschuhen, patroulliert durch die Schöneberger Fuggerstraße. Der klassische Ledermann dagegen bevorzugt durchgehend Schwarz, mit Polizeimütze und Schlagstock, wahlweise mit oder ohne Sheriffstern. Gerne würden sie auch deutsche Polizeiuniformen tragen, dürfen sie aber nicht.

Nach außen sind die harten Ledermänner sehr lieb und umgänglich. Fast jeder gibt Auskunft. Rick, Profi-Erotik-Sadomaso-Fotograf aus Nürnberg, hört gar nicht mehr auf mit Auskunft geben. Empört ist er über die Presseartikel der letzten Tage, die angebliche Nähe zu faschistoidem Gedankengut und die harsche Reaktion der CDU auf das Grußwort von Klaus Wowereit. „Wir schließen Rechtsradikale aus Fetischvereinen und -kneipen aus, wenn wir davon erfahren.“

Die Leder-Sadomaso-Szene unter den Heteros sei viel größer, doch bisher sei niemand auf die Idee gekommen, ihnen rechtes Gedankengut zu unterstellen, sagt Rick. „Jeder nach seiner Facon“, flötet da Bastian Finke von der Schwulenberatungsstelle Mann-O-Meter in die Diskussion. Er hat sich ein „Alter-Fritz“-Kostüm übergeworfen, in der öffentlichen Auseinandersetzung sieht er nur Wahlkampfgeplänkel. „Letztes Jahr gab es das Fest auch. Wowereit schrieb ein Grußwort, niemanden interessierte das.“

Die Begriffe Fetisch, Sadomaso und Leder muss man übrigens sauber trennen. Fetisch seien eigentlich alle Utensilien zur sexuellen Erregung, sagt Rick. Leder ist nur ein besonders beliebter Fetisch. Wer Leder mag, muss nicht unbedingt Sadomaso mögen. Unter den Fetischen sind Bauarbeiterklamotten im Kommen. Zu sehen sind Bergarbeiter mit Helm, Schutzbrille, Handschuhen und vielen Piercings. Herr Bansner, Hausmeister vom Club Quälgeist, trägt heute leuchtend orangene BSR-Klamotten.

Am frühen Nachmittag ist das Treiben auf der Festmeile noch sehr zurückhaltend. Viele Ledermänner haben in den Clubs bis in den Morgen gefeiert. Aus 30 Ländern sollen die Fetisch-Fans angereist sein. „Wir sind eine kleine Familie“, heißt es, europaweit vernetzt. „Wenn ich in einer anderen Stadt bin, kann ich immer bei Freunden schlafen“, sagt Frank, Barmann im Armstrong-Klub.

Man kennt sich, küsst sich, neckt sich, gerne so laut, dass alle es mitbekommen. Zu kaufen gibt es auch viel Befremdliches, darunter eine hundeartige Gesichtskappe aus Leder, Gasmasken, einen kleinen Schraubstock mit... Details verbieten sich an dieser Stelle. Offensichtlich dienen viele Utensilien der sexuellen Erniedrigung. Die Geschäfte laufen immer besser, heißt es. „Deutschland ist ein Land der Masochisten“, sagt Rick.

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