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Bedecke dein Haupt. Claus-Brunner will sein Kopftuch so lange tragen, bis in Nahost Frieden herrscht.

© REUTERS

Palästinensertuch: Betuchter Pirat - mit oder ohne Botschaft?

Vom Polittextil zum Modetrend – und jetzt schon wieder umstritten: Warum der Abgeordnete Gerwald Claus-Brunner ein Palästinensertuch trägt.

Modisch gesehen ist der Palifeudel tot. 2008 war die letzte große Welle, seitdem behauptet nur noch Amazon, das „stylische und vielfältige Palästinensertuch“ sei ein „Muss als Mode-Accessoire“. Bei den quellcodefixierten Piratenmännern sind Modetrends weitgehend unbekannt, und so nimmt es nicht wunder, dass das Mitglied der Berliner Piratenfraktion, Gerwald Claus-Brunner zur orangefarbenen Latzhose immer noch das Banner des einstigen PLO-Chefs Jassir Arafat trägt.

Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, vermutet dahinter eine „antijüdische Gesinnung“, was Pirat Claus-Brunner empört von sich weist. So was zu behaupten, sei eine Frechheit. Er habe das Palituch von seiner Gastfamilie geschenkt bekommen, als er 1995 auf Montage in Haifa arbeitete. Warum er es seitdem trägt, gerne auch vor Kameras, möchte er nicht verraten. „Im Zweifel hat das gar nichts zu bedeuten.“ Jedenfalls möchte er das Tuch nun so lange um seinen Schädel schlingen, bis der israelisch-palästinensische Konflikt beigelegt ist. Damit flicht er ins Baumwollgewebe mit dem schwarz-weißen Muster, das seit einigen Jahren auch Mäntel und Taschen erobert, doch wieder eine politische Botschaft.

Nach Deutschland kam das PLO-Tuch angeblich durch das Palästina-Komitee im Sozialistischen Studentenbund SDS Ende der 60er Jahre. In den 70er Jahren wurde das Tuch gerne mit tarnfarbenen Bundeswehr-Parkas kombiniert, um damit gegen das Atomkraftwerk Brokdorf zu ziehen. In den 80er Jahren diente es zur Unkenntlichmachung von Hausbesetzern im 1.-Mai-Einsatz und zur Kenntlichmachung verschiedener linker Strömungen: das lila Pali für Feministen, das rote für Anarchos. In den 90er Jahren verlor die linke Szene ihr exklusives Nutzungsrecht am Palästinensertuch. Unter Studenten wurde es cool, das WG-Sofa mit einem Pali zu drapierem, als Nachweis gesellschaftskritischer Grundhaltung. Spätestens nach dem Diplom endete das Tuch dann im Altkleidercontainer.

Trendscouts und Labelmanager wurden aufmerksam, schließlich schaffte das symbolträchtige Textil den Durchbruch zum Massenmarkt, bei H & M und im Otto-Katalog. Doch die internationale Prominenz hielt sich trotz Popularisierung auffällig zurück. David Beckham und Johnny Depp sollen sich mal gedankenlos einen Arafatschal umgeschlungen haben. Verschiedene Rapper ließen sich dagegen bewusst zur rebellischen Imagepflege mit dem Tuch ablichten. Es haben sich eben doch eine Prise Wüstenstaub und ein Grauschleier vom bewaffneten Kampf der PLO im Gewebe festgesetzt.

Der Politikwissenschaftler Dieter Rucht findet die Aufregung um das Piratenpalästinensertuch ziemlich überzogen. Ursprünglich sei das Kopftuch als Ausweis palästinensischer Identität getragen worden. „Vergleichbar mit der Baskenmütze“. Wann kommt die eigentlich wieder in Mode?

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