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Berlin: Palais oder Schloss? Präsident geht in die Verlängerung

Erst nach der Sommerpause soll die Entscheidung fallen

Mit der Dachstuhl-Restaurierung kam das große Husten. Im Mai 1995 war am Schloss Köpenick mit diesem Teil der Arbeiten begonnen worden, bald danach hatten Zimmerleute mit Halsschmerzen und anderen Plagen zu kämpfen. Die Ursache stand rasch fest: zu DDR-Zeiten eingesetzte Holzschutzmittel, vornehmlich DDT, ein hochwirksames, doch wegen der Nebenwirkungen in der Bundesrepublik seit den Siebzigern verbotenes Insektizid. Das unerwartet aufgetretene Problem hat man zwar gelöst, die verseuchten Balken wurden entsorgt, aber am Ende standen deswegen rund fünf Millionen Euro zusätzlich auf der Rechnung.

Ein Cocktail aus DDT und dem ebenfalls umstrittenen Holzschutzmittel Lindan hindert nun auch Bundespräsident Johannes Rau daran, gelassen dem Umzug in das von ihm favorisierte Ausweichquartier Schloss Schönhausen entgegen zu sehen. Ein Gutachten der Gesellschaft für ökologisches Bauen attestiert dem Pankower Repräsentationsbau besonders im Dachstuhl hochgradige Vergiftung. Die Pläne, das Schloss für 2,4 Millionen Euro – eine Hälfte für die Fassade, die andere fürs Dach – präsidentengerecht herzurichten, waren damit hinfällig, und der Haushaltsausschuss des Bundestages vertagte erst einmal die Entscheidung über das Zwischenquartier. Vorübergehend wurde das Kronprinzenpalais Unter den Linden als Ersatz erwogen, auch dies ist, wie berichtet, hinfällig. Die Parlamentarier wollen für die dort notwendigen Arbeiten (Kosten: sechs Millionen Euro oder mehr) kein Geld rausrücken.

Der Ausschuss werde sich in der ersten Sitzung nach der Sommerpause, also Anfang September, wieder mit der Frage „Schloss oder Palais“ befassen, sagte die grüne Haushaltsexpertin Franziska Eichstädt-Bohlig. Bis dahin sollen weitere Tests klären, wie weit neben dem Dachstuhl des Schlosses auch die Geschossdecken belastet sind. Als weitere Orte, die der Bundespräsident für seine repräsentativen Zwecke nutzen könnte, seien das Gästehaus des Bundesaußenministers in der Pacelliallee und die Orangerie des Schlosses Charlottenburg im Gespräch, die aber nur im Sommer nutzbar sei. Die Abgeordnete hält die Verteilung des Amtssitzes auf mehrere Orte aber für ungünstig.

Der großzügige Einsatz von Holzschutzmitteln in der DDR ist schon an vielen Gebäuden nachgewiesen worden. In Potsdam wurde die giftige Mischung aus DDT und Lindan besonders im Dachstuhl des Neuen Palais festgestellt, doch auch in Wohngebäuden wurde die Chemokeule gegen Insekten eingesetzt. Sogar der DDR-Ministerrat hatte sich seit den fünfziger Jahren mit dem Holzschutz per Insektizid befasst und wiederholt Verordnungen für großflächigen Einsatz erlassen.

DDT und Lindan waren Bestandteile von Hylotox 59, dem gebräuchlichsten, auch im Einzelhandel erhältlichen Holzschutzmittel in der DDR. Allein 1988 wurden davon über 1400 Tonnen produziert. Das Nervengift DDT gilt als besonders tückisch, da es noch nach Jahrzehnten aus dem behandelten Holz ausdampft und sich im Fettgewebe des Körpers anreichert.

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