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Ein Plakat gegen den Verkauf von Mietwohnungen an die Deutsche Wohnen in der Karl-Marx-Allee.

© Christoph Soeder / dpa

Palastrevolte wegen Mieten?: Volksbegehren bringt Berlins SPD gegen Müller auf

Die Pläne zur Enteignung der Deutschen Wohnen könnte die SPD gegen Michael Müller aufbringen. Sie setzt auf Anti-Kapitalismus. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wieder einmal wird der Regierende Bürgermeister und SPD-Landeschef von einer wichtigen stadtpolitischen Debatte überrollt. Vor fünf Jahren wollte der damalige Stadtentwicklungssenator Michael Müller das Tempelhofer Feld bebauen – der Volksentscheid ging krachend verloren. Und im Herbst 2017 forderten die Bürger mehrheitlich, dass der Flughafen Tegel offenbleiben solle. Der neue Berliner Regierungschef geriet auch mit dieser Volksabstimmung mächtig unter Druck.

Sozialdemokraten droht Isolation

Jetzt sieht es so aus, als ob das Volksbegehren zur Enteignung der Deutschen Wohnen und anderer Immobilienkonzerne, das am 6. April startet, sogar die eigene Partei gegen ihren Führungsmann aufbringt. Noch ist zwar offen, ob die Delegierten beim SPD-Landesparteitag am Sonnabend für die Sozialisierung privaten Wohneigentums stimmen oder ihrem Chef Müller folgen und das brandaktuelle Thema auf den nächsten Parteitag im Herbst vertagen.

In keinem Fall aber werden die Genossen die ablehnende Haltung ihres Vorsitzenden zur Enteignung großer Wohnungsbestände in Berlin übernehmen. Dies würde die Sozialdemokraten isolieren: von den Regierungspartnern Linke und Grüne, von Mieterverbänden und zornigen Berlinern, die unter Wohnungsnot und explodierenden Mieten leiden.

Darüber hinaus widerspräche es auch dem Selbstverständnis der linken Mehrheit im SPD-Landesverband, die einen klar antikapitalistischen Kurs einschlagen will. Angeführt von den Jungsozialisten und deren Bundeschef Kevin Kühnert, der für eine eindeutige Positionierung mit der Frage wirbt: „Mit welchem Recht hat jemand mehr als 20 Wohnungen?“ Eine Frage, die in den Großstädten bis in die bürgerliche Mittelschicht hinein zunehmend als charmant empfunden wird - und nicht als marxistische Provokation.

Für Müller wäre es deshalb schon ein Erfolg, wenn er auf dem Parteitag nicht gedemütigt wird. Aber auch dann, wenn ein Sozialisierungsbeschluss vertagt werden sollte, wird die SPD in nächster Zeit die Nähe zur Enteignungs-Initiative suchen. Das Ziel: Eine gemeinsame, juristisch und politisch durchsetzbare Strategie gegen die Wohnungskonzerne, um einen erfolgreichen Volksentscheid zu vermeiden. In diesem Prozess wird Müller, der noch auf die soziale Einsicht der Unternehmen setzt, wohl nur am Rande stehen.

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