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Ein Pflegeheim in Lichtenberg musste evakuiert werden, nachdem mehr als die Hälfte der Bewohner sich mit Corona infiziert hatte.

© Jörg Carstensen/dpa

Update

Pandemiestab legt Bericht vor: Das Pflegepersonal hat wohl die Bewohner in Lichtenberg mit Corona angesteckt

In einem Heim sind anscheinend Hygieneregeln nicht ordentlich eingehalten worden. 15 Bewohner starben im Zusammenhang mit dem Covid-19-Ausbruch.

Bei einem großen Corona-Ausbruch mit Todesfällen in einem Lichtenberger Pflegeheim hat vermutlich das Personal die Bewohner angesteckt. Das geht aus einem Bericht des Pandemiestabs hervor, über den das Bezirksamt am Mittwochabend informierte. Der zuständige Stadtrat Martin Schaefer äußerte diese Vermutung bereits vor einigen Tagen.

Danach sei das Heim den Nachbesserungen, die der Amtsarzt bereits Anfang Oktober mit Blick auf Kontakte und Hygiene gefordert hatte, nicht in ausreichendem Maße nachgekommen, sagte eine Sprecherin.

Bei dem Ausbruch sind mindestens 15 Heimbewohner im Zusammenhang mit einer Coronainfektion gestorben. Ein Teil der verbliebenen Bewohner musste in andere Einrichtungen verlegt werden. Neue Tests sind in der Auswertung. Dass Heimpersonal die Ursache für den Ausbruch sei, lasse sich vermuten, aber noch nicht mit Sicherheit sagen, sagte die Sprecherin.

Nach dem Bericht war der Lichtenberger Amtsarzt seit Anfang Oktober mehrfach im Pflegeheim Kursana Domizil Berlin-Lichtenberg, das zur Dussmann-Gruppe gehört. Er ordnete unter anderem Abstriche der Bewohner und des Personals an. Für Mitarbeiter mit direktem Kontakt zu erkrankten Bewohnern wurde Quarantäne verhängt.

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Das Gesundheitsamt habe das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin auch über Versäumnisse beim Arbeitsschutz informiert und vom Betreiber das Hygienekonzept und -handbuch gefordert, heißt es im Bericht.

Schutzmasken sollen nicht getragen worden sein

Ende Oktober 2020 seien alle Bewohner und das gesamte Personal getestet worden. Am 5. November habe der Amtsarzt das Heim erneut besucht und Verbesserungen bei der Einhaltung des Hygieneplans angeordnet. Am 13. November 2020 informierte das Pflegeheim über 44 positive Testfälle. Zu diesem Zeitpunkt waren insgesamt 12 Bewohner gestorben.

Was Versäumnisse in Alten- und Pflegeheimen konkret bedeuten können, berichtet ein Insider: miserable Ausbildung des Personals, Missachtung von Hygieneregeln, mangelnde Kontrolle der Einhaltung der Regeln durch die Verantwortlichen des Heims, mangelhafte Unterweisung des externen Personals wie Reinigungskräften sowie fehlende Deutschkenntnisse bei Personal aus dem Ausland.

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In Lichtenberg seien Schutzmasken trotz entsprechender Vorgaben nicht getragen worden, sagte er. Der Betreiber habe sich schuldig gemacht. Doch das könne überall sonst auch so passieren.

„Derart pauschale Vorwürfe möchten wir nicht kommentieren“, sagte eine Kursana-Sprecherin am Abend. „Selbstverständlich gehen wir allen konkreten Hinweisen nach.“ In der Pressemittelung des Bezirksamts heißt es unter anderem: „Der Pandemiestab geht davon aus, dass die Hygienemaßnahmen und erteilten Auflagen umgesetzt werden und der Betreiber engmaschige Kontrollen und Belehrungen des Hygienemanagements vornimmt.“

Betreiber weist Vorwürfe zurück

Dazu sagte die Kursana-Sprecherin: „Hierzu bekräftigen wir, dass wir konsequent darauf achten werden, dass unsere strikten Hygienemaßnahmen eingehalten werden und wir dies engmaschig kontrollieren.“ Kursana habe sehr hohe Sicherheitsstandards und gute Hygienekonzepte, die aber in Zeiten einer solch weitreichenden Pandemie nicht verhindern könnten, dass die Corona-Infektionsketten auch Seniorenbetreuungseinrichtungen erreichen.

„Speziell unter den winterlichen Bedingungen mit gegenüber dem Frühjahr deutlich gestiegenen täglichen Fallzahlen bei Neuinfektionen, die sich verfünffacht haben“, ergänzte die Sprecherin. „Erteilte Auflagen werden wir selbstverständlich umsetzen.“

Aktuellere Infektionszahlen will die Kursana-Sprecherin nach der Auswertung der jüngsten Tests vom 17. November nennen. Bisher sind 30 infizierte Bewohner bekannt, dazu 17 infizierte Mitarbeiter in Quarantäne.

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Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hatte bereits am Dienstag gesagt, nach ihrer Einschätzung könnten menschliches Versagen und Betreiber, die das Thema Hygiene nicht so richtig ernst nähmen, zu solchen Ausbrüchen führen.

Rund ein Drittel der Menschen, die in Berlin seit Pandemiebeginn nach Corona-Infektionen starben, waren Bewohner von Alten- und Pflegeheimen. Das geht aus Daten der Gesundheitsverwaltung vom Dienstag hervor.

Demnach starben mit Stand vom Dienstag insgesamt 132 Bewohnerinnen und Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen im Zusammenhang mit dem Virus. Nach dem Corona-Lagebericht vom Mittwoch wurden in der Hauptstadt 401 Todesfälle im Zusammenhang mit Sars-CoV-2 verzeichnet. (dpa)

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