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Berlin: Papa ist ein Pate

Alleinerziehende Mütter suchen für ihr Kind männliche Bezugspersonen. Ein Verein kümmert sich darum

Susanne Hausmann hat eigentlich immer viel zu tun, ja, manchmal auch zu viel. Einerseits ist da die Arbeit als Musiktherapeutin, andererseits Jakob, ihr zwölfjähriger Sohn. Er ist ein quirliger Junge, aufgeweckt, aber wie das halt so ist in dem Alter: Für die Schule ist Jakob schwer zu motivieren. Er versteckt seine Klassenarbeiten zu Hause unter dem Regal, es gibt Streit. Immer wieder.

Eines Tages dann hört Susanne Hausmann von einem Projekt namens „Biffy“. Das steht für „big friends for youngsters“, also für „große Freunde für Kleine“. Ein Verein, der Patenschaften zwischen Erwachsenen und Kindern vermittelt. Susanne Hausmann wird neugierig. Jakob könnte eine männliche Bezugsperson gut gebrauchen, und sie selber hätte einmal pro Woche etwas Zeit für sich selbst. Doch auf der anderen Seite: Was sind das für Leute, die sich da als Paten bewerben? Alleinstehende, die nur Anschluss an eine Familie suchen? Väter auf Probe? „Es war eine Bauchentscheidung“, sagt Susanne Hausmann. Jakob ist wenig begeistert, geht dann aber doch mit zur Tea Time.

Bei der Tea Time treffen sich bereits vermittelte Paten und Patenkinder mit solchen, die es werden wollen. Die mit roten Ansteckern sind Pate; die mit gelben Ansteckern sind noch frei.

Matthias Tamaschke trägt einen gelben Anstecker. Er ist 50 Jahre alt, arbeitet bei der Post. Matthias Tamaschke hat bereits Patenschaften übernommen, doch nun will er mehr als nur monatlich ein bisschen Geld überweisen. Als Lesepate engagiert er sich in Grundschulen, entdeckt „Biffy“. Nach einem Workshop zur „Patenschulung“ ist Matthias Tamaschke bei der Tea Time dabei. Mit einigen Kindern hat er geredet, sich vorgestellt und gespielt, und einen Tag später gehen Matthias Tamaschke und Jakob ins Kino. Die Mutter ist skeptisch – doch Jakob interessiert das wenig. Ihn interessiert Harry Potter, im Kino. Auf den Kinobesuch folgt der „Cirque du Soleil“, danach „Tao – die Kunst des Trommelns“. Die beiden verstehen sich, treffen sich einmal pro Woche, bleiben mal zu Hause und gucken Videos, mal hilft Tamaschke bei Hausaufgaben oder hört bei Cello-Übungsstunden zu.

Bernd Schüler sitzt im Vorstand des Berliner Vereins und ist Experte für die Theorie des „Mentorings“, die ursprünglich aus den USA kommt. „Unser Grundsatz ist: Um ein Kind zu erziehen, braucht man ein ganzes Dorf. Heutzutage gibt es immer weniger intakte Familien – vor allem Jungen fehlen oft Väter oder Onkel als Bezugspersonen“, sagt er, „und auch im Kindergarten gibt’s selten männliche Erzieher.“

Rund 150 Patenschaften wurden innerhalb Berlins vermittelt. Etwa 80 Prozent der Leute, die sich an den Verein wenden, sind alleinstehende Mütter. Rund 260 Patenschaften wurden von „Biffy“ deutschlandweit auf den Weg gebracht, in Hamburg, Braunschweig, Ulm und anderen Städten. Es könnten aber noch viel mehr sein, gäbe es genügend Paten. Viele Bewerber werden abgeschreckt, denn die Voraussetzungen sind hoch: Eine Patenschaft sollte mindestens ein Jahr laufen, die Paten müssen sich regelmäßig um ihre Paten kümmern und absolut verlässlich sein. Bei Tamaschke und Jakob passte es sofort, anders als bei Jakobs ersten Paten. Die Grenze von einem Jahr haben die beiden schon überschritten – und die Patenschaft wird in jedem Fall weitergehen. Sogar einen mehrtägigen Ausflug zu einem Vergnügungspark haben die beiden schon unternommen.

Auch Susanne Hausmann, die Mutter, ist froh, einen Ansprechpartner für Probleme mit ihrem Sohn gefunden zu haben – mit dem sie auch ihren eigenen Umgang mit Jakob reflektieren kann. Jakob ist durch Tamaschke kein besserer Schüler geworden, das nicht, denn der sagt: „Ich bin ja kein Nachhilfelehrer.“ Das können andere übernehmen.

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