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Berlin: Papierlos glücklich

Generalstaatsanwalt Ralf Rother will weiter sparen. Er setzt dabei auf die elektronische Akte

Herr Rother, lassen Sie mich raten: Das Ende der Fahnenstange ist erreicht. Es ist unmöglich, bei der Staatsanwaltschaft auch nur noch einen Cent rauszuholen?

Ich halte nichts von solchen Klagen. Die Situation der Stadt nötigt alle, nochmal zu prüfen, wo gespart werden kann.

Aber die Staatsanwaltschaft hat seit 2001 bereits rund drei Millionen Euro Personalkosten eingespart.

Beim Personal geht wirklich nichts mehr. Sparen könnten wir aber anders: Die IT-Technik bringt eine ganze Menge Einsparpotenzial mit sich.

Mit Computern ist die Justiz ja inzwischen ausgerüstet.

Ja, aber die Behörden sind nicht ausreichend miteinander vernetzt. Alle Vorgänge werden heute noch zu Papier gebracht. Die Polizei druckt die Akte aus, dann wird sie ins Gericht geschickt, kommt in die Poststelle, dann aufs Wägelchen, in die Geschäftsstelle …

… bis sie nach Tagen beim Staatsanwalt landet …

… und dann wieder denselben langen Weg zurückgeht, wenn dieser noch einen Zeugen vernommen haben will …

… und der Fall noch einmal drei Wochen brachliegt.

Hinzu kommt: Wir bearbeiten im Jahr mehrere hunderttausend Vorgänge, wovon 80 Prozent niemals einem Gericht vorgelegt werden.

Übertreiben Sie jetzt?

Keineswegs. Allein die Staatsanwaltschaft hatte letztes Jahr 206 000 Bekannt-Eingänge. Das sind Fälle, in denen der Beschuldigte feststeht. Die Amtsanwaltschaft hatte noch einmal entsprechende Eingänge. Hinzu kommen jährlich rund 260 000 Unbekannt-Sachen, also Kellereinbrüche, Fahrraddiebstähle und Graffiti. Ein Großteil dieser Fälle wird wie gesagt eingestellt, aber die Akten müssen den Fristen entsprechend aufbewahrt werden.

Und das heißt?

Das heißt, dass jemand jede einzelne Akte nach einer gewissen Zeit wieder hervorholen und ins Lager am Westhafen schaffen muss, wo sie nach Ablauf der Frist dann geschreddert und entsorgt wird. Wir geben eine Million Euro pro Jahr allein für die Lagerung und Vernichtung aus. Alle Beteiligten könnten außerdem viel Zeit sparen, wenn diese Vorgänge zukünftig elektronisch abgewickelt werden.

Und die Fälle, die vor Gericht landen?

Laut Strafprozessordnung muss es dafür derzeit noch eine körperliche Akte geben. Viel gewonnen wäre aber schon, wenn vorher mit der elektronischen Akte gearbeitet werden könnte. Wenn jetzt mindestens Polizei, Staatsanwälte, später auch Richter und Anwälte jederzeit auf die Akte zugreifen könnten. Das wäre ein Effizienzgewinn – und sparte Kosten.

Und was spricht noch dagegen?

Wir brauchen ein Programm, das Manipulationen an der Akte ausschließt. Die historische Entwicklung der Ermittlung muss unbedingt nachvollziehbar sein. Wir brauchen sichere Zugangscodes und elektronische Schnittstellen mit der Polizei. Wir müssen außerdem den Datenschutzbeauftragten und die Personalvertretung mit einbinden …

Also reine Zukunftsmusik?

Keineswegs, die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Wenn alles gut läuft, können wir Anfang nächsten Jahres mit der Pilotphase beginnen.

Ralf Rother (54)

ist seit Anfang des Jahres der oberste Ankläger der Stadt. Katja Füchsel sprach mit dem Generalstaatsanwalt über weitere Sparmöglichkeiten in der Justiz.

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