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Berlin: Papiertheater: Ich war eine Dose

Eine Plastiktüte ist eine Plastiktüte? Das wollen wir doch mal sehen.

Eine Plastiktüte ist eine Plastiktüte? Das wollen wir doch mal sehen. Man kann sie zerknüllen, sie alsdann zur Tapete erklären und an die Wand pappen. Man kann sie zerfetzen, die Stückchen mosaikartig zu ganz neuen Formen verbinden. Man kann daraus ein Bühnenbild zaubern, die Illusion eines Palasts oder auch einer Köhlerhütte, je nach Bedarf. Und aus dem okkerfarbigen Stück Schaumgummi, das wer weiß wie lange im Keller vor sich hingammelte, wird mit entschlossenem Ritsch hier und energischem Ratsch da eine Höhle.

Und nicht zu vergessen das blecherne Behältnis, dessen ursprünglicher, verdammt süßer Inhalt angeblich Flügel verleiht: "Ich war eine Dose" - das mag sein, aber jetzt bist du Graf Wetter vom Strahl, eine ziemlich ritterliche Theaterfigur, da kommt der blecherne Leib gerade recht.

Man sieht es den sechs Theaterchen, die Studentinnen der Hochschule der Künste im Rahmen ihrer Ausbildung zu Kostüm- und Bühnenbildnerinnen vor einem Jahr geschaffen haben und die jetzt im Märkischen Museum ausgestellt sind, nicht gerade an, in welchen Theatertraditionen sie wurzeln. Papiertheater hieß schlicht das Thema, und "Das Käthchen von Heilbronn" war der Stoff, an dem sich die jungen Bühnenarbeiterinnen Charlotte Pauly, Joki Tewes, Sophie Gabler, Susanne Weiske, Bettina Lauer und Sonja Vilbonnet unter Anleitung ihres Professors Martin Rupprecht versuchen sollten. Gewissermaßen auf den Spuren von Karl Friedrich Schinkel, der das Bühnenbild zur ersten Berliner "Käthchen"-Inszenierung 1824 entworfen hatte. Aber darum sollten sich die Studentinnen nicht allzu sehr scheren, auch die Geschichte des Papiertheaters, dieses einst populären Bildungsspiels in den bürgerlichen Kinderzimmern des späten 19. Jahrhunderts, nicht noch einmal aufarbeiten. Eher naiv sollten sie an ihre Aufgabe herangehen, das Kleist-Stück im Miniformat zu dekorieren und auch personell auszustatten, über ein Dutzend Kulissen also, nebst Figurenreigen. Den Stoff ihrer Theaterträume zu kaufen, war verpönt. Papier als Grundstoff konnte, musste aber nicht sein. Sammeln hieß die Devise, auf der Straße, beim Gemüsehändler im Verpackungsmüll, auch Passanten um Plastiktüten zu bitten, war erlaubt. Wattebäusche, Papierservietten jederzeit - dem Erfindungsreichtum waren keine Grenzen gesetzt. Und bei richtiger Beleuchtung wird aus einem rostigen Stück Blech eine Wolke.

Das riecht nach Recycling, nach Resteverwertung im Namen der Kunst - zeugt aber - man muss sich das einfach ansehen - von einer erheblichen Portion Fantasie. Im besten Falle scheinen es Studien zu großen Kulissen zu sein, ganz und gar kein Kinderkram. Der Rahmen, in dem die Theaterabteilung des Stadtmuseums die Minibühnen zeigt, ist also angemessen: das "Käthchen" in Berlin, zwischen Schinkel und Langhoff, ergänzt um Ritterrüstungen aus dem Fundus der Staatlichen Bühnen und Abbildungen historischer Papiertheater.

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