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Parteien: SPD leidet unter einem anhaltenden Wählerschwund

Bei der Bundestagswahl könnte die Berliner SPD ein 23-Prozent-Debakel erleben, so eine Prognose. Damit wäre eine Strategiedebatte nach der Wahl unvermeidlich.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die jüngste Prognose, nach der die Berliner Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl mit 23 Prozent vorliebnehmen müssen, ist in der SPD unterschiedlich aufgenommen worden. Die einen nennen diese Zahl einen „alten Hut“, andere halten sie für durchaus realistisch. Und dann gibt es noch Genossen mit Humor, die schlechte Meinungsumfragen als „subtile Form der Wählermobilisierung“ einordnen.

Aber alle Funktionäre, die noch bei Sinnen sind, glauben, dass das Ergebnis der Bundestagswahl 2005 für die Berliner SPD (34,3 Prozent) diesmal nicht annähernd erreichbar sein wird. Es gibt offenbar einen langfristig wirkenden Trend, der die Sozialdemokraten in der Hauptstadt unter die 30-Prozentmarke drückt. „Es wird für uns schwer, noch Wahlergebnisse zu erreichen, die höher liegen“, sagt der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Christian Gaebler, der auch den großen Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf leitet.

Nicht nur in Deutschland hätten es „Klientelparteien“ immer leichter, mit der Vertretung von Einzelinteressen Wähler zu gewinnen, so Gaebler. Das gebe es überall in Europa. „Der Anspruch an die Parteien, übergreifende gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, nimmt offenbar ab.“ Allerdings leidet der Berliner SPD-Landesverband schon seit Mitte der sechziger Jahre an einem schleichenden Substanzverlust, der nur zwischenzeitlich aufgefangen werden konnte. In der Rückschau sind die Etappen gut erkennbar.

Nach dem Mauerbau errang die Partei Ernst Reuters und Willy Brandts bei der Abgeordnetenhauswahl 1963 mit 61,9 Prozent ihr historisch bestes Ergebnis. Danach nutzte sich die SPD in internen Flügelkämpfen und an den kommunalen Problemen der Stadt ab, während die CDU sich allmählich zur Großstadtpartei modernisierte. Bei der Wahl 1975 blieb die SPD mit 42,6 Prozent erstmals hinter der Union, die ab 1981 als Regierungspartei unter Richard von Weizsäcker und Eberhard Diepgen einen ungeahnten Aufschwung nahm. Bis zum Mauerfall blieb die SPD bei allen Wahlen zwischen 30 und 40 Prozent hängen. Zumal die Grünen als „Fleisch vom Fleische“ der SPD eine zunehmend starke Konkurrenz wurden.

Die Vereinigung Deutschlands läutete 1990 eine neue schwierige Phase ein: Die PDS kam als weiterer Wettbewerber im linken Lager hinzu und nahm der SPD vor allem im Osten Berlins Stimmen weg. Und als Juniorpartner in der Koalition mit der CDU konnte es der SPD nicht gelingen, neues Profil zu gewinnen. Bei der Abgeordnetenhauswahl 1999 rutschte sie mit 22,4 Prozent in den Keller. Erst der Bankenskandal, der Niedergang der CDU und der damalige Tabubruch (Regierung mit der PDS/Linken) brachten neuen Schwung. Der scheint aber vorläufig aufgebraucht zu sein. Selbst das einst ungestüme Zugpferd Klaus Wowereit hängt müde im Geschirr. Die SPD-Spitze weiß, dass etwas geschehen muss und will gleich nach der Bundestagswahl eine Strategiedebatte beginnen, die wieder aufwärts führt.

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