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Pssst! Stefan Wabner (2.v.l.) glaubt an die Wirkung von Pantomime.

© Henry Laurisch / Promo

Party-Kieze und Touristen: Pantomime gegen Ballermannisierung von Berlin

Mit Pantomime sollen in Berlin seit diesem Freitag laute Touristen beruhigt werden. Der Künstler Stefan Wabner glaubt an die Idee. Anwohner sind eher skeptisch.

Lautes Grölen, Pfützen aus Erbrochenem und das fortwährende Rattern der Rollkoffer: In einigen Straßenzügen von Friedrichshain und Kreuzberg brauchen Anwohner dicke Nervenkostüme. Gerade die jüngeren der zuletzt jährlich fast zwölf Millionen Hauptstadt-Gäste zieht es in die Kieze rund um die Wrangelstraße oder die Simon-Dach-Straße. Mit Pantomimen soll die fortschreitende „Ballermannisierung“ nun vielerorts entschärft werden. Vom 8. Mai bis zum 11. Juli sind die Künstler im Rahmen eines Pilotprojektes an 15 Wochenend-Abenden gemeinsam mit Mediatoren unterwegs, um nächtliche Störenfriede zur Räson zu bringen – in Paris war ein ähnliches Projekt bereits erfolgreich.

„Das ist auf jeden Fall charmanter als der Einsatz von uniformierten Mitarbeitern des Ordnungsamtes“, findet Stefan Wabner, Pantomime aus Berlin. Denkbar sei etwa ein Handschlag oder ein Handkuss, wenn Partymeilen-Besucher ihre Flaschen in einen Mülleimer werfen. Ein großer Vorteil der Pantomimen im Umgang mit Touristen aus dem Ausland sei zudem, dass es keine Sprachbarrieren gebe – mit Gesten und Mimik lassen sich Botschaften an spanische und japanische Urlauber gleichermaßen vermitteln.

Mehr als 100.000 Euro für Studie und Pilotprojekt

Wabner selbst hat auf Messen oft mit einem internationalen Publikum zu tun, das keine Zeit für lange Shows hat. „Es geht darum, einfach, schnell und auf humorvolle Weise zu agieren.“ Die geplanten Leuchtdioden auf den Kostümen der Projekt-Pantomimen hält Stefan Wabner übrigens für eine gute Idee. „Gerade weil sie nachts unterwegs sind, wird das ein guter optischer Anker und ein Hingucker sein“, glaubt er.

Hinter der Initiative steht ein Zusammenschluss aus Bezirk, Clubcommission, Hotel- und Gaststättenverband Dehoga und Visit Berlin. In einer Studie wurde zunächst ermittelt, welche Lösungsansätze Städte mit ähnlichen Problemen wie etwa Barcelona verfolgen. Das Ergebnis: Pantomimen sollen lärmbelästigten Anwohnern das Leben wieder leichter machen. „Man kann nicht alles sofort regeln, aber es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung“, sagt Christian Tänzler, Sprecher von Visit Berlin. Immerhin 52.500 Euro hat der Bezirk für die Studie und die neunwöchige Pilot-Phase bereitgestellt, noch mal die gleiche Summe kam von den anderen Akteuren.

Anwohner weg, Touris weg

Wie man mit Touristen umgeht, war in den vergangenen Jahren immer häufiger ein Thema in Szenebezirken. Für die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann ist das Fass im vergangenen Jahr übergelaufen – sie forderte einen Verhaltenskodex für Touristen. Die Reaktionen aus Wirtschaft und von anderen Politikern waren erwartungsgemäß durchmischt. Gerade für Gastronomen sind Touristen immerhin oft die Haupteinnahmequelle – klar, dass die Gäste möglichst viele Freiheiten haben sollen. Allerdings wies selbst der Dehoga schon daraufhin, dass Kieze langfristig auch für Touristen an Reiz verlieren könnten, wenn die Anwohner entnervt wegziehen.

Ob das Pantomimen-Projekt den erhofften Erfolg bringen, bleibt indes abzuwarten. Lea Becker, Anwohnerin in der Simon-Dach-Straße, ist nicht sicher, ob sich angetrunkene Touristen von der Aktion beeindrucken lassen. „Es könnte auch passieren, dass den Pantomimen Bierflaschen entgegen geworfen werden“, sagt die 27-Jährige und lacht. Die Stimmen der Passanten und Bar-Gäste schallen bis auf ihren Balkon im dritten Stock. An Sommer-Wochenenden reiße der Lärm quasi nie ab, unter der Woche werde es erst gegen zwei Uhr ruhiger. Vor allem Junggesellenabschiede und Schulklassen sorgten für die entsprechende Geräuschkulisse. „Aber ich bin mit dem Wissen hergezogen, dass es laut sein wird.“ Außerdem gewöhne man sich auch daran.

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