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Feiern für den Frieden. Im Kreuzberger Prince Charles Club zahlen Gäste bei Charity-Partys Eintritt und Getränke für den guten Zweck.

© promo

Partyreihe hilft Kindern in Syrien: Beats gegen Bürgerkrieg

Bei der neuen Partyreihe „It’s Bigger Than“ legen DJs elektronische Musik auf – für traumatisierte und verletzte Kinder in Syrien. Los geht es am Sonntag

Das Gemeinschaftsgefühl in der Technoszene ist legendär. Auf der Tanzfläche sind alle eine große Familie. Soweit die Märchenwelt.

Was draußen vor den Türen der Clubs, passiert wird in Rausch und Ekstase gerne verdrängt. Daniel Cole will das jetzt ändern. Der 30-Jährige geht auch gerne aus, will Berlins Partyvolk aber zu mehr „sozialem Bewusstsein“ animieren, wie er es nennt. Ein Bewusstsein für die, die am Wochenende nicht ausgelassen feiern gehen können: Menschen in den Krisengebieten dieser Welt.

Cole will diesen Menschen mit Charity-Partys helfen. Das Projekt des Briten heißt „It's Bigger Than“ (Es ist wichtiger als...). Die Idee: Berliner Techno-Partys sind lang, in einer Nacht wird viel Geld ausgegeben. Also warum nicht mal das Geld für einen wohltätigen Zweck sammeln? Die erste „It's Bigger Than“-Party steigt jetzt am Sonntag im Prince Charles Club in Kreuzberg. Los geht es um 14 Uhr, gefeiert wird bis Montagfrüh. Der Erlös soll Kindern zugute kommen, die Opfer des Bürgerkriegs in Syrien wurden. „Unser Ziel ist, 5000 Euro zu sammeln“, sagt Cole. Natürlich darf es auch mehr sein. Gespendet wird an „Save The Children“, die nach eigenen Angaben größte unabhängige Kinderrechtsorganisation der Welt. Deren Mitarbeiter arbeiten in Libanon, Jordanien und Irak, um den zehntausenden syrischen Flüchtlingen zu helfen.

Eintritt und Geld für Getränke werden gespendet

Cole kommt aus den West Midlands in England. Vor fünf Jahren zog er nach Berlin, seitdem arbeitet er für Beatport, ein Downloadportal für elektronische Musik. Cole kennt eine Menge Leute in der Club- und Musikszene. Das ist wichtig, wenn man in der Stadt, in der es viele Konkurrenzveranstaltungen gibt, gute Partys machen will. Das Lineup, also das DJ-Programm, am Sonntag im Prince Charles kann sich durchaus sehen lassen. Ganz oben steht Steffi, Resident-DJ in der Panoramabar im bekannten Club Berghain. Aber auch Virginia, Catz 'n Dogs, John Osborn oder Deabeat und hrdvsion vom Plattenlabel Wagon Repair sind in der Szene keine Unbekannten. Das Besondere: Alle Künstler spielen gratis und legen ohne Gage auf, damit viele Spenden zusammenkommen. Neben dem Eintrittsgeld fließt ein Teil der Getränkeeinnahmen an „Save the Children“. Das ambitionierte Motto der Soli-Party heißt „Local Artists – Global Change“.

„Ich finde es toll, mit elektronischer Musik Aufmerksamkeit für ein solch wichtiges Projekt erregen zu können“, sagt DJ Steffi. Musik sei immer schon ein „super Medium“, um Menschen für eine gute Sache zusammenzubringen. „So können auch ich und meine Kollegen einen Beitrag zur Unterstützung der hilfsbedürftigen Kinder in Syrien leisten.“

Die Idee ist nur ein paar Wochen alt. Im Oktober las Daniel Cole einen Zeitungsartikel über die Opfer des Syrien-Kriegs, darunter die vielen Kinder. Meist drehe sich die Berichterstattung um militärische und politische Belange - „dieser Artikel aber zeigte das Ausmaß des humanitären Leids“, sagt Cole. Er rief Lisa Khanna an, eine gute Freundin. Sie arbeitete unter anderem bei Ostgut Ton, dem Berghain-Plattenlabel. Khanna hat zwei Bekannte, die in einem Camp in Jordanien syrische Flüchtlingsfamilien betreuen. Und auch sie kennt viele Leute in der Clubszene. So entstand die Idee vom Charity-Projekt „It's Bigger Than“.

Sind die Feierleute in Berlin womöglich zu hedonistisch, zu unpolitisch? Daniel Cole verneint das, die Szene habe viel Passion und Potenzial zur Gestaltung. Der 30-Jährige erinnert an die Proteste gegen die Gema-Gebührenerhöhung. „Ich sah, wie sich die Menschen gegen die Vorschläge der Gema vereinten und dachte: Wäre es nicht toll, wenn wir die gleiche Gemeinschaft hinbekämen gegen viel dunklere, globale Bedrohungen?“

Dr. Motte war für "Friede, Freude, Eierkuchen"

Feiern für den Frieden – dieser Geist erinnert an alte Loveparade-Zeiten. Fast ein Vierteljahrhundert ist es her, als die erste Parade 1989 über den Kurfürstendamm zog. Matthias Roeingh alias Dr. Motte meldete den Umzug damals als politische Demonstration an, das Motto: „Friede, Freude, Eierkuchen“. Später wuchs die Loveparade zum Millionen-Event mit weltweiter Strahlkraft - bis sie aus Sicht ihrer Kritiker zum kommerziellen Karneval verkam. In Berlin gab es zuletzt, auch in anderen Musikszenen, Benefiz-Parties, wie die „Together for friends“, bei der auch Michi Beck von den Fantastischen Vier und Underground-DJs auflegten zugunsten eines Freundes, der nach einem Verkehrsunfall im Wachkoma lag.

Loveparade-Initiator Roeingh gefällt die Idee einer Soli-Party für die Kriegsopfer in Syrien. „Ich finde gut, dass mal jemand an die Kinder denkt“, sie könnten gar nichts für den Konflikt. Wenn Roeingh „Charity“ hört, wird er aber auch misstrauisch. Ob nach der Katastrophe von Fukushima oder nach dem Unglück bei der Loveparade in Duisburg – oft gehe es den Veranstaltern von Charity-Partys nur darum, selbst Geld zu machen. Wer bei als gemeinnützig deklarierten Projekten glaubwürdig sein wolle, müsse mit „offenen Karten“ spielen, fordert der Loveparade-Erfinder. Daniel Cole versichert, das die Erlöse seiner Party ausschließlich an „Save The Children“ fließen. Wenn er das Geld an die Kinderrechtsorganisation überwiesen habe, werde er den Beleg ins Internet stellen. „Ich will 100 Prozent Transparenz.“

Die erste Charity-Party „It's Bigger Than“ steigt am Sonntag, 18. November, im Prince Charles Club, Prinzenstraße 85 F in Kreuzberg. Beginn ist 14 Uhr, gefeiert wird bis Montagfrüh. Der Eintritt kostet bis 18 Uhr fünf Euro, danach zehn Euro. Infos auch zu Spenden: http://itsbiggerthan.org und www.princecharlesberlin.com

Haiko Prengel

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