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Gut behütet. Eine Kinderkrankenschwester kümmert sich um ein Frühgeborenes im Brutkasten der Neuköllner Kinder- und Geburtsklinik. Viele Eltern sind derzeit besorgt. Die hygienischen Bedingungen in Berlins Krankenhäusern gelten aber als vergleichsweise gut.Foto: ddp

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Berlin: Patienten gehören in saubere Hände

In Berlin gilt seit 2006 für Kliniken die Hygieneverordnung. Trotzdem infizieren sich noch fünf Prozent der Kranken

Ärzte auf Berlins Kinderstationen müssen sich derzeit nicht nur um ihre kleinen Patienten kümmern, sondern viele Fragen beantworten: von Eltern, die sich nach dem Tod von drei Frühgeborenen in Mainz um die Hygiene im Krankenhaus sorgen. Die Mediziner können zumindest in einem Punkt beruhigen: Berlin ist im Kampf gegen Klinikinfektionen vergleichsweise gut aufgestellt. Darin waren sich am Dienstag viele Mediziner, die Senatsgesundheitsverwaltung und die Patientenbeauftragte einig.

In der Hauptstadt gilt seit 2006 für alle Krankenhäuser eine Hygieneverordnung. Diese sieht unter anderem vor, dass große Kliniken einen eigens für Sauberkeit zuständigen Beauftragten anzustellen haben. Eine bundeseinheitliche Hygieneverordnung gibt es bislang nicht. Außer Berlin haben nur vier Bundesländer einen für alle ihre Krankenhäuser verbindlichen Standard eingeführt. Die Einhaltung der Berliner Verordnung rund um die 20 000 Klinikbetten in der Stadt überprüfen die Gesundheitsämter.

Zwar gebe es in den 59 Berliner Krankenhäusern ebenfalls bakterielle Infektionen, die mit strengerer Hygiene bekämpft werden könnten. „Die Hälfte der Kliniken der Stadt verfügt aber über geschulte Hygienefachkräfte“, sagte Klaus- Dieter Zastrow, oberster Hygieniker des landeseigenen Klinikkonzerns Vivantes und Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene. Diese Fachkräfte sind oft examinierte Schwestern und Pfleger, die nach ihrer dreijährigen Lehrzeit eine einjährige Zusatzausbildung absolviert haben.

Die Berliner Patientenbeauftragte Karin Stötzner wies allerdings darauf hin, dass die Regeln zwar gut seien, aber durch den Kostendruck auf die Kliniken nicht immer ausreichend umgesetzt würden. Hygiene brauche Personal – und daran mangele es zuweilen. Die Überarbeitung von Schwestern könne ein Risiko sein, sagte auch Johanna Knüppel vom Berufsverband der Pflegekräfte DBfK. Es habe Fälle gegeben, bei denen sich Krankenpfleger um so viele Patienten kümmern mussten, dass etwa ein Blasenkatheter – ein Kunststoffschlauch zum Urinablassen – nach einer Operation erst viel später als möglich entfernt worden sei. Offene Körperzugänge bergen jedoch ein hohes Infektionsrisiko, ähnlich wie wunde Haut, die durch zu langes Liegen im Krankenbett entsteht – ebenfalls oft Folge von Personalmangel.

Rund 725 000 Patienten werden in Berlin jedes Jahr stationär behandelt. Schätzungen zufolge infizieren sich fünf Prozent von ihnen mit Klinikkeimen, von denen es allerdings unterschiedliche Varianten gibt. Als gefährlich gelten die sehr resistenten MRSA-Bakterien, gefährliche Mikroben, die auf Instrumenten und Händen von Patienten, Ärzten und Pflegern verbreitet werden und sich im Klinikbiotop zahlreichen Antibiotika angepasst haben. Verlässliche Zahlen gibt es nicht. Erst seit 2009 verlangt das novellierte Infektionsschutzgesetz von den Kliniken, das Auftreten solcher Bakterien in Blut oder Hirnflüssigkeit für die Gesundheitsämter zu dokumentieren. „In den kommenden Jahren werden wir valide Zahlen zu Krankenhausinfektionen haben“, sagte eine Sprecherin von Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke).

Um Gefahren rechtzeitig zu erkennen, gibt es in Berlin ein Netzwerk gegen multiresistente Erreger und Mikrobeninfektionen, in dem sich die Senatsgesundheitsverwaltung, die zuständigen Ämter und die Kliniken austauschen. Das Universitätsklinikum Charité verweist auch auf das hauseigene Institut für Hygiene und Umweltmedizin sowie die „Aktion saubere Hände“. Bezogen auf die Vorfälle in Mainz, hieß es von der Charité, dass angelieferte, sterile Stoffe der Pharmahersteller in Reinräumen der Krankenhausapotheke für Infusionslösungen zubereitet würden, in denen die Mitarbeiter immer sterile Handschuhe tragen.

Experten zufolge kostet die Behandlung eines Patienten, der sich in der Klinik mit einem multiresistenten Erreger infiziert hat, im Schnitt mehrere tausend Euro mehr als die Behandlung der Krankheit, wegen der ein Patient ursprünglich in das Haus gebracht worden war. Allerdings kann eine Infektion mit Klinikkeimen noch teurer werden, denn mangelnde Hygiene im Krankenhaus werten Juristen als Kunstfehler. Und für den können Patienten Schadensersatz fordern.

Zur Hygiene in Berliner Krankenhäusern kann man sich über das Portal www.gesundheitsberater-berlin.de von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin informieren. Über die Volltextsuche lässt sich etwa die Anzahl der Wundinfektionen nach Eingriffen vergleichen. Der aktuelle Berliner Klinikführer 2010/2011 mit Hintergrundtexten zu diesem Thema erscheint in zwei Monaten.

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