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Berlin: Paul Rahn legt sich auf der einzigen Ruderfähre Berlins in die Riemen

Genau zehn Schläge benötigt er, dann ist er drüben. Unzählige Male hat er die 36 Meter von den Spreewiesen über die Müggelspree zur Kruggasse in Rahnsdorf zurückgelegt - und das alles aus eigener Kraft.

Genau zehn Schläge benötigt er, dann ist er drüben. Unzählige Male hat er die 36 Meter von den Spreewiesen über die Müggelspree zur Kruggasse in Rahnsdorf zurückgelegt - und das alles aus eigener Kraft. Seit 20 Jahren rudert der 65-jährige Paul Rahn die einzige Ruderfähre Berlins.

Fast lautlos gleitet der 1,90 Meter breite und 5,39 Meter lange Kahn über das Wasser. Nur für kurze Augenblicke taucht der Fährmeister die weiß-blauen Ruder ins Wasser. Routiniert wirken seine langsamen Bewegungen, die er im Stehen ausführt. Er will auch nicht zu schnell auf der anderen Seite sein, schließlich sollen die Passagiere die Überfahrt genießen, sagt er. Während er mit den Leuten plaudert, hat er die Strecke aber stets im Blick. "Man weiß nie, was hier plötzlich für Verrückte auftauchen", erklärt Rahn. Sein "Paule III", habe zwar Vorfahrt, doch nicht jeder Freizeitkapitän halte sich daran. Und so musste Rahn schon öfter ausweichen. Glücklicherweise ging bislang alles gut, gekentert ist er noch nie. Aber das hat wahrscheinlich auch etwas mit der Sitzaufteilung zu tun. Rahn achtet auf eine ausgeglichene "Fracht" und bittet schon beim Einsteigen, links und rechts Platz zu nehmen. Maximal acht Personen - pro Nase kostet die Überfahrt 2 Mark 50 - kann der Rahn-Kahn befördern - was heutzutage eher selten vorkommt, wie der Köpenicker gesteht. Noch vor der Wende hat er pro Saison, die von Ostern bis Oktober dauert, bis zu 36 000 Leute von hüben nach drüben gebracht.

In den vergangenen Tagen schipperte er viele Jugendliche mit Fahrrädern auf die andere Seite. Bei so einem Massenandrang fährt er dann nach seinem eigenen Fahrplan und setzt anstatt ein Mal stündlich mehrmals über. Auch wenn am anderen Ufer jemand wartet, fragt "Paule", wie ihn viele nennen, per Zuruf, ob er abgeholt werden möchte. "Das funktioniert hier ganz unkompliziert." Er liebt seine Arbeit, weil er ständig an der frischen Müggelheimer Luft ist, viele Leute kennen lernt und es immer etwas zu sehen gibt. "Viele Nackedeis", lacht Rahn. In besonders guter Erinnerung ist ihm da ein Ruderboot, in dem acht nackte Frauen gesessen haben sollen. "Die sind an der Anlegestelle völlig hüllenlos vorbeigefahren", erzählt er und lacht. Das sei kein Seemanns-Garn, beteuert er.

Bereut hat Rahn seine Entscheidung zugunsten der recht kurzen Strecke noch nie. Schließlich kann er als Fährmeister quasi vor der eigenen Haustür arbeiten. Früher war er zudem immer in der Nähe seiner Kinder. Inzwischen lassen sich auch seine Enkel gern von ihm nach Rahnsdorf und wieder zurück schippern. Ambitionen, einmal in seine Fußstapfen zu treten, hat bislang aber noch keiner seiner Nachkommen.

Obwohl dem durchtrainierten Fährmann vor allem nach Saisonende sämtliche Knochen weh tun, würde Rahn gern noch ein paar Jahre über die Müggelspree schippern. Aber das entscheidet er nicht allein. Nächstes Jahr läuft sein Vertrag mit der Stern- und Kreisschifffahrt aus, ob es eine Verlängerung gibt, ist noch unklar. Wenn nicht, wird es ihm aber auf keinen Fall langweilig, ist er überzeugt. Dann will er viel verreisen und noch öfter als bisher zum Angeln gehen. Dazu hat er gegenwärtig nur montags Zeit - weil seine Fähre an diesem Tag pausiert.

Steffi Bey

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