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Berlin: PDS gibt Schmusekurs im Senat auf

Nach dem Wahldesaster sucht die Berliner Partei nach Konzepten und will ihr Profil schärfen

Von Sabine Beikler

und Barbara Junge

Die Berliner PDS denkt nach ihrer schweren Wahlniederlage im Bund um. Sie will unbedingt ihr Profil in der rot-roten Koalition schärfen. Ein schwieriger Balance-Akt: Man wolle zwar „keine Konflikte vom Zaun brechen“ oder sich als „zänkischer Koalitionspartner“ gebärden, sagt Landes- und Fraktionschef Stefan Liebich. Doch Zündstoff zwischen SPD und PDS gibt es in der Sozial-, Kultur- und Wissenschaftspolitik durchaus. Die Sozialisten lehnen zum Beispiel Kürzungen im Sozialprogramm „Hilfe zur Arbeit“ strikt ab. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) dagegen schließt Kürzungen nicht aus. Dringend fordern die PDS-Strategen jetzt eigene Konzepte für Berlin: Die Zukunft und das Überleben der Gesamtpartei wird nach dem Rauswurf der PDS-Fraktion aus dem Bundestag von ihren landespolitischen Erfolgen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern abhängen.

Die PDS will künftig stärker ihre politischen Kernfelder wie die „Politik der sozialen Gerechtigkeit“ hervorheben, die vor allem das Ressort der PDS-Sozial- und Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner betrifft. Aus ihrer Verwaltung hört man jedoch Unzufriedenheit über die mangelnde Unterstützung der Amtskollegen. Dem PDS-Prestige-Projekt „Hilfe zur Arbeit“, das Sozialhilfeempfänger in Arbeit bringen will, ist nur in diesem Jahr mit 36 Millionen Euro und 2003 mit 40 Millionen Euro finanziell abgesichert. Finanzsenator Sarrazin schließt Kürzungen dort jedoch nicht aus.

Ein schwelender Streitpunkt zwischen SPD und PDS sind auch die Verträge mit der Liga der freien Wohlfahrtsverbände: Die Verträge sind nur bis Ende 2003 gesichert. Das gilt auch für Verträge mit den Trägern von Stadtteilzentren. Je 18,2 Millionen Euro sind 2002 und 2003 im Sozialhaushalt eingestellt. Was danach mit den in den Zentren angebotenen Freizeitmöglichkeiten für Kinder und Jugendlichen oder der Nachbarschaftshilfe passiert, ist völlig offen. Die PDS fordert langfristige Verträge, um die Arbeit der freien Träger über 2003 hinaus zu gewährleisten. Die Sozialisten erinnern daran, dass Stadtteilzentren aus dem Quartiersmanagement, das SPD-Stadtentwicklungssenator Peter Strieder hoch lobt, nicht wegzudenken sind. Nur: Die SPD will keine langfristigen Verträge, sondern zunächst Aufgaben im Sozialbereich darauf überprüfen, was gesetzlich überhaupt vorgeschrieben ist.

Vor den Wahlen hatte Stefan Liebich ein Diskussionspapier vorgelegt, das die Situation der Koalition in Berlin aus PDS-Sicht so beschreibt: Es fehlt an einer Strategie. Rot-Rot werde ausschließlich als Sparbündnis wahrgenommen – auch die PDS habe es nicht geschafft, Reformprojekte aufzulegen. Am Beispiel der Solidarpaktverhandlungen, die die PDS uneingeschränkt unterstützt, habe es die Koalition versäumt, den Gewerkschaften die Notwendigkeit zu vermitteln, warum ein Umdenken notwendig sei. „Wir müssen stärker auf Geben und Nehmen abheben“, sagte Liebich, der über mehr Mitbestimmungsrechte, aber auch über die Einführung einer 35-Stunden-Woche ohne vollen Lohnausgleich diskutieren möchte. Die PDS steckt bei diesen Verhandlungen im Dilemma: Teile der Partei fordern die Stärkung der „außerparlamentarischen Opposition der Arbeitnehmer“, die sich wiederum gegen den rot-roten Senat richtet. „Mit Grandezza haben wir es geschafft, den Unmut gegen uns zu richten“, sagt ein PDS-Spitzenpolitiker. Deshalb setzt die PDS auf einen transparenteren Dialog mit den Gewerkschaften. Ob das fruchtet, werden die Verhandlungen zeigen, die am kommenden Montag weitergeführt werden.

In der Kultur- und Wissenschaftspolitik werden SPD und PDS auch nicht gleich auf einen Nenner kommen: Die PDS lehnt eine Streichung von Studienplätzen kategorisch ab, überlegt aber stattdessen, ob die Verwaltung von Hochschulgebäuden nicht einem zentralen Liegenschaftsmanagement übertragen werden kann. In der Kulturpolitik will die PDS den Bund in eine stärkere Verantwortung nehmen. Bei „nationalen Leuchttürmen“ wie zum Beispiel der Deutsche Staatsoper oder auch dem Deutschen Theater könnte sich PDS-Kulturexperte Wolfgang Brauer eine Übernahme durch den Bund vorstellen.

Liebichs Vorgänger als Fraktionschef, Wirtschaftssenator Harald Wolf, gibt zwar der „Profilschwäche“ der Gesamtpartei Schuld am Wahldebakel. Mitnichten hänge jedoch die Frage nach einem klareren Profil an der Regierungsbeteiligung. Allerdings hätten mit Regierungsantritt in der Hauptstadt und einem stellvertretenden Bürgermeister und Wirtschaftssenator ns Gregor Gysi „extrem hohe Erwartungen“ auf der PDS gelastet, „die wir nicht erfüllt haben“. Man habe sie jedoch auch gar nicht erfüllen können. Künftig komme es darauf an, zu zeigen, „was es heißt, links von der Sozialdemokratie Politik zu machen. Politik, die nicht nur Ansprüche proklamiert, sondern auch konzeptionell etwas vorlegen kann“. Statt auf Abkehr vom pragmatischen Kurs drängt also Wolf auf Professionalisierung der realpolitischen Haltung – unter sozialen Vorzeichen. Dabei will er durchaus auch in Sachfragen den Konflikt mit dem Koalitionspartner riskieren. „Die Kürzung bei freien Trägern ist ein Beispiel“, sagte Wolf. Da sei hauptsächlich deshalb gekürzt worden, weil die Kürzungen leichter durchzuführen seien als in staatlichen Strukturen. Dieses Prinzip müsse sich ändern.

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