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Schon vor dem Startet erntet das "Yelp für Menschen" Kritik. Doch ist die Peeple App nicht die logische Folge unserer Online-Bewertungskultur?

© dpa

Peeple App: Selbstwertbewertung

Die Vorstellung der App „Peeple“ sorgte jüngst für einen Shitstorm im Internet. Damit soll man Menschen online bewerten können. Doch ist der Gedanke daran wirklich so weit entfernt von unserem momentanen Onlineverhalten?

Ab November soll man mit der App „Peeple“ jeden Menschen online bewerten können, dessen Handynummer man besitzt. In den Kategorien „Berufliches“, „Persönliches“ und „Dating“ können dann zwischen einem und fünf Sternen verteilt werden. Bei negativen Kommentaren wird der Betroffene per SMS benachrichtigt und es gibt eine zweitägige Frist vor der Veröffentlichung. Mitmachen kann bei Peeple jeder, der ein Facebookaccount besitzt und über 21 Jahre alt ist. Die kanadischen Erfinderinnen Julia Cordray und Nicole McCullough bezeichneten die App als ein „Yelp für Menschen“. Obwohl die App erst im November erscheinen soll, wird sie momentan schon heftig kritisiert: Als digitaler Krebs, als ekelerregend und menschenverachtend wird sie bezeichnet.

Menschen online bewerten geht nicht erst seit Peeple

Im ersten Augenblick klingt eine App wie Peeple makaber. Allein der Gedanke daran, Menschen im Internet zu bewerten, lässt einen mit einem unguten Gefühl im Bauch zurück. Und doch stellt sich die Frage: Tun wir das nicht schon lange?

Dass wir Gegenstände online bewerten, ist mittlerweile konsequenter Teil der Wirtschaft. Neun von zehn Kunden lassen sich bei einem Kauf von Internetbewertungen beeinflussen. Doch die Bewertungen betreffen längst mehr als den Markt der Gegenstände. Mittlerweile bewerten wir nicht nur Güter, sondern auch Dienstleistungen. Ob es die Mitfahrgelegenheit ist, das neu entdeckte Restaurant, das Hostel oder der Arzt – der Erfolg von Gewerben und Privatpersonen liegt schon lange zunehmend in der Hand der Internetnutzer. Menschenbewertung im Internet geht nicht erst mit Peeple, sondern wird bereits täglich praktiziert.

Auch der Bereich „Persönliches“ und „Dating“, der von Peeple abgedeckt werden soll, findet im Netz längst seine Bedeutung und seinen Bewertungsspielraum. Ob Datingplattformen oder Tinder: sowohl eine Freundschaftsanfrage als auch ein nach links oder rechts Wischen ist eine Beurteilung. Liken und Kommentieren auf Facebook und Co ist eine ständige Bewertung von anderen, die öffentlich stattfindet.

Wir stellen uns freiwillig dieser öffentlichen Bewertung, indem wir uns online präsentieren ­– mit dem, was wir mögen, was wir essen, was wir machen. Doch scheinbar tun wir das nur, weil wir uns im Internet (noch) als makellos darstellen können. Eine App wie Peeple, die auch unsere Fehler öffentlich machen könnte, ist daher mehr als unerwünscht. Das Bild, das die Welt sich von uns machen kann, möchten wir selbst festlegen.

Bewertungen als Mittel zum Perfektionismus

Egal wie makaber und wie rechtlich untragbar Peeple sein mag, die ihre Menschenbewertung unter dem absurden Titel „character is destiny“ anbietet: In gewisser Weise haben wir die Entwicklung einer solchen App uns selbst zuzuschreiben. Die App ist eine logische Reaktion auf die bisherige Bewertungskultur und Anspruchshaltung unserer Generation. Die Anspruchshaltung breitet sich in alle Lebensbereiche aus: vom Handy zum Auto bis hin zum Partner und den Mitmenschen – alles soll perfekt und auf uns persönlich abgestimmt sein. Im Streben nach Perfektion verlassen wir uns auf die Meinungen anderer oder die Berechnungen von Algorithmen. Die Erfindung einer App wie Peeple war nur eine Frage der Zeit.

Makellose Selbstdarstellung außer Gefahr

Warum ist der Aufschrei so groß, wo wir die inflationäre Ausbreitung von Bewertungen im Internet doch selbst beobachten und praktizieren? Liegt der Aufruhr daran, dass durch Peeple die makellose Selbstdarstellung im Internet gefährdet wird? Oder muss einfach erst etwas so Überzogenes wie Peeple daherkommen, damit die Menschen die Auswirkung des Internets begreifen?

Die Kritik zeigt jedenfalls Wirkung, die Erfinderin Cordray sieht sich durch den massiven Druck gezwungen zurückzurudern: Sie möchte jetzt eine „positive“ App, bei der Menschen den Bewertungen über sich selbst vor der Veröffentlichung zustimmen müssen. Wir können uns also weiterhin im Internet so zeigen, wie wir gerne wären.

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Marlene Resch

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