zum Hauptinhalt

Berlin: Pensionierungswelle: Torschlusspanik im Öffentlichen Dienst

Wie in Torschlusspanik haben Tausende Berliner Beamte in letzter Zeit den Staatsdienst verlassen. Mit dem Attest der Dienstunfähigkeit gingen sie in Pension.

Wie in Torschlusspanik haben Tausende Berliner Beamte in letzter Zeit den Staatsdienst verlassen. Mit dem Attest der Dienstunfähigkeit gingen sie in Pension. Noch gut zwei Monate ist mit dieser "Bugwelle" an Frühpensionierungen zu rechnen, wie Innensenator Eckart Werthebach das Phänomen genannt hat. Die auffällige Welle an körperlichen oder geistigen Gebrechen bei den Beamten der Stadt wird beim Rechnungshof und beim Senat nämlich mit einem Datum erklärt: Vom 1. Januar nächsten Jahres an wird die Pension gekürzt, wenn ein dienstunfähiger Landesdiener vorzeitig in den Ruhestand geht.

Ursprünglich sah das Versorgungsreformgesetz die Abschläge schon für das laufende Jahr vor. Die rot-grüne Bundesregierung hat sie aber für ein Jahr ausgesetzt. Diese Entscheidung habe offenbar einen "Bugwelleneffekt" bei pensionswilligen Beamten ausgelöst, erklärte Werthebach kürzlich im Parlament. 1999 gingen plötzlich über 1700 Verwaltungsleute, Polizisten, Lehrer oder Feuerwehrbeamte dienstunfähig ab. In diesem Jahr wird noch einmal eine ähnlich hohe Zahl erwartet.

Erst danach rechnen die Behörden allmählich damit, dass die Abschläge sich bremsend auf die Frühpensionierungen auswirken. Allerdings sagt niemand, wieso Abschläge beim Geld die medizinischen Faktoren beeinflussen sollen, die für eine Dienstunfähigkeit maßgeblich sind.

In ungewöhnlich sarkastischer Weise hat sich jedenfalls der Rechnungshof in seinem jüngsten Bericht dieser Pensionierungswelle angenommen. "Die Ursache dürfte weniger ein auf breiter Front zu verzeichnender gesundheitlicher Einbruch sein", schrieben die Rechnungskontrolleure. Sie sei wohl vielmehr in der Tatsache zu suchen, dass auch bei Frühpensionierungen dieser Art künftig so genannte Versorgungsabschläge in Kraft treten - weniger Geld also.

Insgesamt hat es in den letzten Jahren einen dramatischen Anstieg der Dienstunfähigkeit in Berlin gegeben, der fast Merkmale einer Epidemie trägt. 1995 waren insgesamt nur 701 solcher Versetzungen in den Ruhestand gezählt worden. Das war damals immerhin noch weniger als die Hälfte (43 Prozent) aller Pensionierungen.

Kurze Zeit später gingen die Zahlen hoch. 1997 waren es schon fast 1000, und 1998 wurde mit 1100 "Dienstunfähigen" schon die Hälfte aller Pensionierungen in der Stadt erreicht. Die eigentliche Bugwelle kam dann im vorigen Jahr: Plötzlich wurden 1716 krankheitsbedingte Ruheständler registriert, was schon 71 Prozent sämtlicher Pensionierungen ausmacht. Besonders Lehrer und Feuerwehrleute fallen auf. Bei den Pädagogen verdoppelte sich die Zahl fast innerhalb dieses einen Jahres. Bei der Feuerwehr stieg sie nahezu auf das Dreifache. In beiden Berufsgruppen schieden damit fast 80 Prozent aller Pensionäre wegen Dienstunfähigkeit aus. In der allgemeinen Verwaltung sind es sogar 81 Prozent. Dort hat es n den letzten Jahren allerdings keinen so starken Anstieg gegeben.

Die Woge der Frühpensionierungen hat ihr Vorbild. Schon 1997 und 1998 hatten sich massenweise Beamte aus dem öffentlichen Dienst der Stadt verabschiedet, so lange das noch ohne Versorgungsabschläge möglich war. Dabei ging es um den so genannten Antrags-Ruhestand - vorzeitig, aber gesund, mit voller Pension ins Privatleben. Bis 1998 war das möglich, seitdem kostet es ein paar Prozentpunkte Abschlag . Musterbeispiel war der prominente Berliner Richter, der 1998 nach eigenen Angaben gesund, arbeitskräftig und als leidenschaftlicher Jurist den Dienst quittierte, mit 62 Jahren. Hätte er seinen Abschied ein oder zwei Jahre später genommen, hätte ihn das monatlich 160 Mark von seiner 5800-DM-Pension gekostet. Das wollte er nicht. Das war die Antrags-Bugwelle.

Inzwischen versucht der Gesetzgeber, bei den Pensionen ein wenig zu sparen. Wer gesund mit 63 gehen will, bekommt in diesem jahr schon 2,4 Prozent weniger Geld. Vom Jahr 2003 an sind es 3,6 Prozent.

Geht ein Kranker, zieht man ihm vom nächsten Jahr an 2,4 Prozent ab, später ebenfalls 3,6 Prozent. Ob das die Frühpensionierungen bremst, "bleibt abzuwarten", sagt der Rechnungshof.

Hans Toeppen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false