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Pergamonmuseum: Wie der Umbau der Museumsinsel schaden könnte

Beim Umbau des Pergamonmuseums formiert sich Widerstand. Denkmalschützer fürchten Eingriffe in das Baudenkmal. Die Museumsinsel gehört zum Weltkulturerbe. Dieser Status könnte verloren gehen.

Größer und teurer als das Schloss, ist es das wohl ehrgeizigste Bauprojekt Berlins. Es wird Jahrzehnte dauern, bis es vollendet ist. Aber nun bahnt sich ein Streit um einen zentralen Baustein bei der Sanierung der Museumsinsel an: um das Pergamonmuseum. Denn bei dem 384 Millionen Euro teuren Vorhaben greifen die Planer tief in die Substanz des Gebäudes ein, reißen Wände ein, schließen Fenster, und sehen einen umstrittenen Neubau vor. Für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist dies eine notwendige Maßnahme, um das Pergamonmuseum „zu vollenden“, wie Präsident Hermann Parzinger sagt. Eine Vollendung, die mit der Zerstörung des Denkmals einhergeht und sogar den Weltkulturerbe-Status des Ensembles gefährden könnte, sagen Denkmalpfleger.

„Es wäre an der Zeit, das Projekt noch einmal auf den Prüfstand zu stellen“, sagt etwa Wolfgang Wolters. Der emeritierte Professor für Kunstgeschichte an der Technischen Universität war viele Jahre Leiter des Beirates für Baudenkmäler beim Internationalen Rat für Denkmalpflege. Der „Icomos“ genannte Rat ist das Frühwarnsystem der Unesco, es meldet, wann ein Bauwerk mit Weltkulturerbe-Status bedroht ist und gibt Empfehlungen ab, wann man es aus der Liste streichen sollte, wie etwa das Dresdner Elbtal wegen des Baus der Waldschlösschenbrücke. Wolters sagt, es gehe im Falle des Pergamonmuseums darum, „Möglichkeiten auszuloten, wie die Planung modifiziert werden kann und im Sinne des Denkmals verträglicher gemacht wird“.

Wolters nennt sich selbst einen „Dinosaurier“. Doch seine Stimme hat Gewicht: Er saß in zahllosen Gremien, mischte kräftig mit bei der Rettung der Baudenkmäler in Venedig. Und Experten schreiben ihm eine tragende Rolle bei der gelungenen Sanierung des Neuen Museums zu. Dieses Projekt, realisiert unter der Regie des Architekturbüros Chipperfield, gilt als Musterbeispiel einer Sanierung im Einklang mit der Denkmalpflege. Wenn sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz solche Meriten erwarb, warum nur riskiert sie dann beim Pergamonmuseum ihren Ruf, fragt Wolters.

Reichlich Erfahrungen im Umgang mit den gestrengen Wächtern des Weltkulturerbes hat das Büro Chipperfield. Projektleiter Martin Reichert sagt: „Drei Mal sind wir von Icomos und Unesco visitiert worden. Drei Mal wurden wir gut benotet.“ Wie schnell aber Bedenken bei dem Großprojekt Museumsinsel in massiven Widerstand umschlagen können, die dann ein ganzes Projekt gefährden, erlebte das Büro beim ersten Entwurf für den Neubau des Eingangsgebäudes auf der Museumsinsel. Die Architekten zogen die Notbremse und fingen noch einmal von vorne an. Heute sagt Reichert: „Der Entwurf ist dadurch viel besser geworden.“ Der Schlüssel für den Erfolg dieses zweiten Wurfes sei ein Workshop mit allen Beteiligten. Weist das den Weg für den Streit um das Pergamonmuseum?

Ein einziges böses Wort von Michael Petzet war es gewesen, das den ersten Chipperfield-Entwurf zu Makulatur machte: Der Präsident des Deutschen Nationalkomitees des Icomos hatte von einem „hingeschachtelten“ Haus gesprochen. Und was sagt er heute, zum anschwellenden Streit um das Pergamonmuseum? „Man könnte sich noch einmal anschauen, wie der Hofabschluss des Pergamonmuseums ursprünglich gedacht war und wie sich die Entwürfe von Ungers dazu verhalten.“ Und dann kommt wieder so eine spitze Bemerkung: von Ungers „ganz spezieller, verbissener Symmetrie“ und dass es ein Problem sein könne, „dass ein Entwurf aus der Zeit um das Jahr 2000 erst dreißig Jahre später gebaut wird“. Vielleicht gebe es ja Möglichkeiten, so Petzet, „den Eingangsbereich auch unter funktionalen Gesichtspunkten günstiger zu gestalten“.

Der Neubau nach Plänen des verstorbenen Architekten Oswald Mathias Ungers ist der sichtbarste Eingriff in das Baudenkmal: Denn er verstellt den bisher freien Blick in den Ehrenhof. An derselben Stelle hatten allerdings auch die Pergamon-Architekten Alfred Messel und Ludwig Hoffmann Anfang des 20. Jahrhunderts bereits eine Kolonnade geplant. Die wurde aber nie gebaut. Ungers Plan greift dieses Motiv auf und hat für den Bauherrn außerdem den Vorzug, dass er zusätzliche Ausstellungsfläche erschließt.

„Vorrang hat die Ausstellung“, sagt der Bauherr und Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger. Andererseits „darf es nicht so weit gehen, dass das Gebäude so verändert wird, dass der Status des Weltkulturerbes gefährdet ist“. Parzinger hat das Projekt bei seinem Amtsantritt von seinem Vorgänger geerbt. Aber er sagt auch: „Die Entwürfe wurden im Jahr 2006 mit dem Landesdenkmalamt und Icomos abgestimmt und beide haben unserer Planung damals zugestimmt“. Auch das war zwar vor seiner Zeit als Stiftungspräsident. Aber Parzinger sagt, er habe die bestehenden Planungen selbst auch noch mal überdacht – und sei nun von dem Projekt überzeugt.

Wenn Parzinger von den Plänen berichtet, dann hat der Zuhörer schnell das Bild des neu gestalteten Museums vor Augen. Es ist das Bild eines Ausstellungsmachers: Auf einer Etage die Architekturgeschichte mehrerer Jahrhunderte und verschiedener Kulturen auf einem einzigartigen Rundgang zu erleben. Zeugnisse der ägyptischen, vorderasiatischen, griechisch-römischen und – im Nordflügel dann – der islamischen Baugeschichte zu erfahren. „Damit wird das Pergamonmuseum vollendet“, sagt Parzinger.

Die Vollendung setzt aber schwere Eingriffe in die Substanz voraus und damit gleichsam auch eine Verdrängung der Vergangenheit. Zurzeit ist nicht genug Raum für die islamische Baugeschichte und die Ausstellung des Museums für Islamische Kunst. Deren wichtigstes Stück, die Mschatta-Fassade soll im sanierten Museum in dem dann weitgehend entkernten Flügel des Museums inszeniert werden. Bisher steht die reich mit Reliefs geschmückte Fassade einer jordanischen Wüstenresidenz aus dem 8.Jahrhundert, die als eines der bedeutendsten Architekturdenkmäler der frühislamischen Zeit gilt, unvollständig im Obergeschoss des Südflügels. In 15 Jahren wird der Besucher auf sie zugehen und sie aus verschiedenen Perspektiven erleben, wie das Tor zum Orient.

Parzinger versichert, dass nicht eine tragende Wand angefasst werde. Und er ist überzeugt, dass mit den Denkmalschutzbehörden eine einvernehmliche Lösung erreicht wird. Für seinen Entwurf müssen aber Trennwände verschwinden und vor allem Fensternischen getilgt werden, die Denkmalpflegern als Vorbild des modernen Museums gelten, dem sogenannten „White Cube“. Und trifft nicht just dies den Kern des Weltkulturerbes? Dass es nämlich als Ensemble von Museen verschiedener Jahrhunderte einmalig ist.

Bei Icomos heißt es dazu sybillinisch: „Da die Realisierung anscheinend in ziemlich weiter Ferne liegt und die Planung nicht abgeschlossen ist, dürfte es sich im Moment nicht um ein Problem handeln, das die Unesco unbedingt beschäftigen müsste“, sagt Michael Petzet.

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