zum Hauptinhalt

Berlin: Personalabbau wird für die BVG noch teurer

Verkehrsbetrieb muss Kosten für Arbeitslosengeld bei freiwilligem Ausscheiden übernehmen

Die BVG darf sich vorläufig nicht auf Kosten der Arbeitsagentur sanieren. Die Agentur kann von dem Verkehrsunternehmen das Geld zurückfordern, dass sie als Arbeitslosengeld für Mitarbeiter gezahlt hat, die mit 58 Jahren das Unternehmen verlassen hatten. Die BVG muss damit für 2002 und 2003 insgesamt 27,7 Millionen Euro ausgleichen. Gestern unterlag der Verkehrsbetrieb auch im letzten Musterverfahren vor dem Sozialgericht. Die BVG wird aber Berufung einlegen.

Sollte sie nämlich unterliegen, kommt sie der Personalabbau der vergangenen Jahre noch teurer zu stehen als bisher. Seit 1994 hat sie sich von fast 9000 Mitarbeitern getrennt. Wer freiwillig ging, kassierte eine Abfindung. 2002 betrug sie durchschnittlich 56 900 Euro, ein Jahr später stieg sie sogar auf durchschnittlich 65 000 Euro. Zudem übernahm die BVG die Zahlung des Arbeitslosengelds in der von der Arbeitsagentur verhängten Sperrfrist. Sie wird für drei Monate verhängt, wenn der Arbeitnehmer sein Ausscheiden selbst verursacht hat. Dies gilt auch für ein freiwilliges Ausscheiden gegen eine Abfindung. Anschließend zahlte die BVG bis zum Beginn der Rente mit 60 Jahren weiter die Differenz zwischen dem früheren Einkommen und dem geringeren Arbeitslosengeld in der zweijährigen Überbrückungsphase.

Dass die Arbeitsagentur das von ihr gezahlte Arbeitslosengeld zurückfordern konnte, war bereits seit Anfang 2002 nach einer Gesetzänderung klar, die wegen der BVG erfolgt war. Demnach darf die Bundesagentur von Unternehmen, die nicht insolvent werden können, das Arbeitslosengeld für die so genannte 58er-Regelung zurückfordern. Als Landesunternehmen kann die BVG nicht Pleite gehen, weil der Senat für das Überleben geradestehen muss.

Zuvor hatte die BVG sämtliche Klagen gegen die Rückzahlungen vor dem Sozial- und dem Landessozialgericht verloren. Das Bundessozialgericht entschied dann 2001, dass die BVG nicht zahlen müsse, wenn dadurch auf das Eigenkapital des Unternehmens zurückgegriffen werden müsste. Dies sollten die unteren Instanzen prüfen. Die Agentur verzichtete in diesen Fällen auf die Rückzahlung.

Dann aber wurde das Gesetz mit einer „Lex BVG“ geändert und die Unterscheidung in insolvenzfähige und insolvenzunfähige Betriebe geschaffen. Die BVG, die nun wieder zahlen musste, hält das Gesetz für verfassungswidrig. Deshalb habe sie die Praxis mit der 58er-Regelung fortgesetzt, sagte BVG- Sprecherin Petra Reetz gestern. Die S-Bahn zum Beispiel müsse in vergleichbaren Fällen nichts zurückzahlen, weil sie theoretisch Pleite gehen kann.

Die BVG hatte gehofft, dass das Sozialgericht den Fall dem Bundesverfassungsgericht vorlegen werde. Wie seine Kollegen in den anderen Kammern sah Richter Michael Kanert dazu aber keine Notwendigkeit. Zudem sei strittig, ob ein öffentliches Unternehmen überhaupt eine Grundrechtsverletzung geltend machen könne. Grundrechte sollten den Bürger schützen.

Und dann fand er noch deutliche Worte: „Es gibt auch kein Grundrecht, sich auf Kosten der Sozialkassen zu sanieren“, gab er der BVG mit auf den Weg in die nächste Instanz.

Mit der 58er-Regelung, bei der die Arbeitsagentur Arbeitslosengeld bis zum Renteneintritt zahlt, hatten in den vergangenen Jahren viele Unternehmen ihr Personal verringert und die Kosten dafür zum Teil auf die Sozialkassen abgewälzt. Verwundert zeigte sich Richter Kanert gestern, weil im Zuge der Hartz-Reformen die Möglichkeit zur Zurückzahlung gestrichen worden ist. Nur für die BVG kommt dies möglicherweise zu spät.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false