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Tausende Berliner warten auf ihre Elterngeld. Die Bearbeitung der Anträge dauert meist mehrere Monate - und die Eltern müssen derweil ohne Geld klarkommen.

© dpa

Personalmangel in der Bezirksverwaltung: Eltern in Berlin warten Monate auf Elterngeld

Auszahlung des Elterngelds? Das kann dauern – viele Monate. Schnell geht es dabei um tausende Euro. Stadträte sind ratlos, die Betroffenen frustriert. Jetzt gehen sie auf die Straße.

„Wir sind frustriert und sauer“, sagt Michaela Sperr. Sie wartet aufs Elterngeld, wie tausende andere auch. Im November wurde sie Mutter, reichte den Antrag ein, und seitdem wartet sie. Und weil es allein in Charlottenburg-Wilmersdorf genau 1212 Eltern auch so ergeht, gehen sie jetzt auf die Straße. Am 16. Mai treffen sich die Eltern vor dem Rathaus Charlottenburg, um ihren Unmut während der Bezirksverordnetenversammlung zu äußern. Sie fordern mehr Mitarbeiter für die Elterngeldstelle, damit die Anträge schneller bearbeitet werden können.

Das Elterngeld errechnet sich aus den letzten zwölf Monatsgehältern der Mutter oder des Vaters vor der Geburt. Ein Jahr lang – ab der Geburt des Kindes – erhalten die Eltern monatlich 67 Prozent des Nettolohns. Bei Catharina Delebinski sind das 1600 Euro. „Gerade in Charlottenburg, wo die Mieten höher sind als in anderen Bezirken, trifft es einen besonders empfindlich, so lange kein Geld zu bekommen“, sagt die 35-Jährige, die seit Oktober einen Sohn hat. Michaela Speer hingegen weiß noch nicht einmal, wie viel Geld ihr genau zusteht. Bei ihren selbst angestellten Rechnungen kam ein Betrag zwischen 1600 und 1800 Euro heraus.

Eltern warten seit Herbst auf das Elterngeld

„Allein, dass wir Eltern so lange warten müssen, ist unmöglich“, findet Catharina Delebinski. „Hinzu kommt noch, wie wir behandelt werden.“ Die Sprechstunde der Elterngeldstelle im Rathaus Charlottenburg fällt „bis auf Weiteres“ aus, am Telefon werde man abgefertigt: „Als ich endlich jemanden erwischte, hieß es, ich solle bitte von Anrufen absehen, damit würde ich nur die Bearbeitungszeiten verlängern“, ärgert sich Delebinski.

Auch Lena Knoblauch ist ratlos. Die Studentin ist im November Mutter geworden. „Ich habe meinen Antrag auf Elterngeld mehrmals mit dem Hinweis zurückbekommen, er sei nicht vollständig, was einfach nicht stimmte. Irgendwann war klar, dass es sich bloß um eine Verzögerungstaktik handelt.“ Die 27-Jährige und ihr drei Jahre älterer Freund werden von den Eltern unterstützt. „Aber das wird uns langsam unangenehm – in unserem Alter!“ Nur was bleibe ihnen denn schon übrig? Jobben gehen kann Lena Knoblauch in ihrer jetzigen Situation nicht, große Ersparnisse hat sie keine. Und ihr Freund „ist auch kein Großverdiener“. Also müssen sie sich so lange Geld borgen.

Elterngeldstelle in Charlottenburg-Wilmersdorf seit November geschlossen

Die Elterngeldstelle ist seit November geschlossen, und eine Besserung der Lage ist nicht in Sicht. „Ich traue mich nicht mehr, Prognosen abzugeben“, sagt Jugendstadträtin Elfi Jantzen (Grüne). Im Winter hieß es noch, bis April solle sich die Situation entspannen; dieses Ziel habe man aber trotz Unterstützung durch eine neue Vollzeitkraft und zwei Praktikantinnen nicht erreichen können. Überall sind die Elterngeldstellen knapp besetzt, weshalb es kaum möglich ist, aus anderen Bezirken Ersatz zu bekommen.

Entwarnung gibt es immerhin aus der Neuköllner Elterngeldstelle: „Seit Anfang April hat sich die Bearbeitungszeit normalisiert“, sagt Falko Liecke, der Neuköllner Stadtrat für Jugend und Gesundheit (CDU). „Von dem Berg von 800 Anträgen haben wir uns auf 300 heruntergearbeitet.“ Eltern müssen „maximal“ sechs Wochen auf ihr Geld warten.

In Marzahn-Hellersdorf wird zwischen dem 15. und 31. Mai die Sprechstunde entfallen, in dieser Zeit sollen Rückstände aufgearbeitet werden. So wolle man sicherstellen, dass der Antragsstau vor den Sommerferien nicht weiter zunimmt, sagt Stadträtin Juliane Witt (Linke). In ihrem Bezirk beträgt die Bearbeitungszeit inzwischen – nur noch – acht Wochen.

Eltern sind Leidtragende des Personalmangels

Davon ist Charlottenburg-Wilmersdorf weit entfernt. Dabei hat Jugendstadträtin Jantzen nach eigenen Worten schon einiges versucht, um die Situation zu verbessern. So habe sie etwa zwei befristete Stellen rechtzeitig besetzen wollen, doch dann dauerte das Einstellungsverfahren so lange, dass die Bewerber am Ende schon andere Stellen gefunden hatten. Ein weiteres Problem sind Mitarbeiter, die krankheitsbedingt lange ausfallen. Als Beamte werden diese aber weiterhin voll bezahlt – wodurch Geld für die Vertretung oder Neubesetzung dieser Stellen fehlt. In Charlottenburg-Wilmersdorf gibt es zudem überdurchschnittlich viele komplexe Fälle: „Durch Anträge etwa von binationalen Paaren, Selbstständigen oder Vätern, die auch in Elternzeit gehen möchten, verlängern sich die Bearbeitungszeiten“, erklärt Jantzen. Am Ende sind die Eltern die Leidtragenden. Und der Senat verweist nur auf die Zuständigkeit der Bezirke.

Vor einigen Tagen haben sich die Jugendstadträte getroffen. Doch auch diese Runde brachte nur bedingt etwas. Diskutiert wurde die Möglichkeit, Mitarbeiter eines privaten Büros einmalig auszubilden und sie regelmäßig zu Stoßzeiten einzusetzen. „Dieser Vorschlag wird nun von der Senatsverwaltung geprüft“, sagt der Neuköllner Falko Liecke nach der Sitzung. Man hoffe auf ein Ergebnis bei der nächsten Stadträterunde – Ende Mai.

Lena Knoblauch und ihre Familie warten immer noch. In ihrer Stillgruppe haben sechs von sieben Familien das Elterngeld noch nicht bekommen. Ein Vater ist während der Wartezeit arbeitslos geworden. Als er sich mit einem Hilferuf an den Bezirk wendete, habe man ihm gesagt, er solle doch zum Sozialamt gehen.

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