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Berlin: Peter Eisenmans tiefer Blick

Er hatte Zweifel, das gibt er zu. Jetzt kam der Architekt des Holocaust-Mahnmals aus New York nach Berlin und sah sich den gerade fertig gestellten Rohbau des unterirdischen Dokumentationszentrums an. Und er war zum ersten Mal richtig begeistert

Peter Eisenman war sich selbst nicht so sicher. Aber jetzt ist er begeistert. Der New Yorker Architekt kam jetzt zu einem Kurzbesuch nach Berlin und besichtigte seine Baustelle an der Ebertstraße. Dort nimmt das Holocaust-Mahnmal Gestalt an. „Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, das kommt dem nahe, wie ich es mir vorgestellt habe.“ Warum hatte er Zweifel? „Wenn man etwas so Außergewöhnliches plant, ist das immer mit einem Risiko verbunden“, sagt Eisenman Auf dem Zeichenbrett sehe vieles eben doch anders aus. Auch die Fotos, die ihm die Berliner Mitarbeiter jeden Tag schickten, könnten das Gefühl nicht wiedergeben, das man direkt am Ort habe.

Jetzt stehen 900 der 2751 Betonstelen und der Rohbau des unterirdischen Dokumentationszentrums in der südöstlichen Ecke ist fertig – inklusive einer spektakulären Kassettendecke. Sie ist gewellt. „Oh mein Gott“, sagt Eisenman, „als ich die gesehen habe, das hat mich völlig umgehauen.“ Man habe wirklich den Eindruck eines wogenden Ozeans.

Die gewellte Decke des Dokumentationszentrums soll die Bewegung aufnehmen, die durch die unterschiedlichen Höhen der Stelen entsteht und dadurch, dass der Untergrund, auf dem der Besucher über die gesamte Mahnmalfläche läuft, ebenfalls gewellt ist. Auch das ist schon gut zu sehen. Er habe sich wie auf einem Wasserbett gefühlt, sagt Eisenman, als er zwischen den Stelen hindurchgelaufen sei – genauso wie er es sich erträumt habe. Mit den Wellenbewegungen will der Architekt einen ästhetischen Kontrapunkt zur Blut-und-Boden-Ideologie der Nazis setzen.

Bis Ende Oktober sollen die restlichen Stelen aufgestellt sein. Am 9. Mai nächsten Jahres ist Mahnmals-Eröffnung. Eisenman ist zuversichtlich, dass das Projekt durch keine Auseinandersetzungen mit der Jüdischen Gemeinde mehr gebremst wird. „Es ist alles geklärt.“ An vergangenen Verwicklungen trage er nicht die Schuld. Was er über die Degussa sagte, deren Tochterfirma das in Auschwitz verwendete Gas Zyklon B hergestellt hatte, sei keineswegs als böser Witz gemeint gewesen. Sein New Yorker Zahnarzt habe die Debatte um die Beteiligung der Degussa am Mahnmals-Bau mitbekommen und ihm erzählt, dass viele Zahnfüllungen von Degussa kämen. Das sei nun mal so. Nichts anderes habe er in der Kuratoriumssitzung im Februar gesagt.Vom Zahngold ermordeter Juden sei nie die Rede gewesen. Damals hatte es einen langen Streit um seinen vermeintlichen Witz gegeben. Seit diesem Vorfall habe er immer Angst, bei den Sitzungen etwas Falsches zu sagen.

„Sie sollten weniger über die Vergangenheit grübeln und mehr in der Gegenwart leben“, riet er allen Berlinern bei einer Tagung der den Grünen nahe stehenden Böll-Stiftung am Freitagabend. Das würde auch Berlin als Stadt gut tun. Die hält Eisenman nämlich für ziemlich provinziell. Um architektonisch Abhilfe zu schaffen, riet er, rings um den Tiergarten Wolkenkratzer zu bauen. Dann würde der Tiergarten wie der Central Park wirken.

DER „ORT

DER INFORMATION “

An der südöstlichen Ecke des 19000 Quadratmeter großen Denkmal-Geländes befindet sich unterirdisch der „Ort der Information“. Der Bau wird später in mehrere Räume unterteilt und über zwei Treppen und einen Fahrstuhl zu erreichen sein.

DIE FUNKTION

In den Ausstellungsräumen sollen Informationen zu den Opfern, den ermordeten Juden Europas, geliefert werden. Es ist geplant, an möglichst viele Namen der Opfer zu erinnern, 15 exemplarische Lebensgeschichten zu erzählen und Hunderte Fotos zu zeigen.

DER PARTNER

Für den Ort der Information stellt die israelische Gedenkstätte Yad Vashem ihre Namenssammlung der ermordeten Juden zur Verfügung. Dort sind etwa vier Millionen Namen gespeichert.

Claudia Keller

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