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Berlin: Peter „Max“ Donath (Geb. 1944)

Er brauchte keine Amischlitten wie die anderen Lords – er fuhr Opel

Von David Ensikat

Es muss 1971 gewesen sein, da stand er irgendwann halbnackt in Düsseldorf auf einer Straßenkreuzung und regelte den Verkehr. Seit zehn Jahren war er ein Lord, und auf einmal sollte es nicht mehr weitergehen. Die anderen Lords haben das vorläufige Ende der Band besser weggesteckt, er begegnete dem Trennungsschmerz mit Suff. Und landete, nachdem die Polizei ihn von der Kreuzung geholt hatte, erst mal in einer Nervenklinik. Von da schickten sie ihn nach Hause, nach West-Berlin, wo er erst mal in der Familie eines Großonkels unterkam. Als er aber die Kinder dort mit Pfeil und Bogen beschoss, das Rock-’n’-Roller-Leben hatte ihm doch ziemlich zugesetzt, da schickten sie ihn weg. So zog er, ob sie das nun wollte oder nicht, noch mal bei Muttern ein. Er war 27.

Seine Jahre als Rockstar lagen hinter ihm. Begonnen hat er sie mit 17. Das war 1961, eine Zehlendorfer Jungsband namens „Skiffle Lords“ hatte beschlossen, zeitgemäßere Musik zu spielen, Beat statt Skiffle. Der Rhythmus sollte nicht mehr mit dem Waschbrett erzeugt werden, sondern per Schlagzeug und Bass. Das Schlagzeug spielte er, der Max (was zeitgemäßer klang als Peter). Den Bass spielte sein Freund Knud (der später als Lord Knud ganz ohne Bass berühmt werden sollte). Die Skiffle Lords hießen von nun an nur The Lords, was gar nicht so schwer auszusprechen war, wenn man nur standhaft das Th als S begriff. Auch sonst war es mit dem Englisch nicht weit her, aber das machte nichts, da es auf die Texte gar nicht ankam, Hauptsache, sie waren nicht auf Deutsch, und der Beat war schwer in Ordnung. Schnell waren die Lords in West-Berlin bekannt; als sie 1964 den Wettbewerb „Wer spielt so wie die Beatles“ im Hamburger Star-Club gewannen und sich „Deutschlands Beatband Nr. 1“ nennen durften, nahm auch der jugendlich wilde Teil der gar nicht wilden Bundesrepublik Notiz von ihnen.

Sie mögen längst nicht so heftig wie die Stones gewesen sein und weit weniger virtuos als die Beatles, aber sie waren da, spielten auf jeder Bühne des Landes, sieben Auftritte pro Woche, manchmal auch acht oder neun. Ab 1966 waren sie eigentlich nur noch unterwegs. Max’ Zehlendorfer Elternhaus diente noch als Postadresse, ansonsten ließ er sich selten blicken. In die Länder, wo die Leute das Th mit der Zunge zwischen den Zähnen aussprechen, gelangten die Lords nicht, sonst kamen sie ganz gut rum. In Polen füllten sie als erste Westband im Ostblock Stadien und hatten dieses merkwürdige Beatles-Gefühl: Warum kommen nur so viele Leute zu uns, wenn sie uns wegen der miesen Technik kaum hören können? Sie trugen, da sie nun mal die Lords waren, Rüschenhemden, Gamaschen und Prinz-Eisenherz-Frisuren, wurden von der „Bravo“ gefeiert und ließen sich vom Manager das Geld bar auszahlen.

Gut möglich, dass Max als Einziger ein bisschen davon auf ein Konto packte; hatte immerhin eine Lehre bei der Versicherung gemacht und war auch sonst von einer gewissen Bodenständigkeit. Brauchte keine Amischlitten wie die anderen, sondern fuhr Opel. War aber trotzdem ein lockerer Typ, der wenig anbrennen ließ. Als er nach einem Konzert mit Kumpel Knud noch einen Abstecher zu ein paar Mädchen machen wollte, beide gut angetrunken, Eis auf der Straße, landeten sie mit dem Auto an einem Baum, was Max gut überstand, nur Knud nicht, der verlor ein Bein, womit seine Bandlaufbahn vorbei war, er Diskjockey wurde und beim Rias landete. Kein Berliner, der Lord Knud nicht kannte.

Von Lord Max war später keine Rede mehr. Als die Band sich 1971 auflöste, brauchte er eine Weile, um sich zu fangen. 1976 war er noch mal dabei, als sie sich neu formierten, trug jetzt die Haare etwas kürzer und hatte einen Schnauzbart und hörte 1979 auf mit der Beatmusik, weil nicht genug Geld reinkam und das Hin und Her zwischen der Berliner Insel und Westdeutschland zu teuer wurde.

Er kam in der Werbe- und Konzertbranche unter, verdiente anständig, ließ den gepflegten Bart ganz um den Mund herumwachsen, ging regelmäßig zum Friseur und trug die Haare wie mit dem Lineal gezogen. Über seine letzten Jahre ist wenig zu erfahren. Der beste Freund traf sich mit ihm alle paar Monate zum Kaffee, sprach mit ihm über die Welt, Berlin und Zehlendorf. 2008 kam Max zu einem Lordskonzert in die Alte Försterei, ließ sich kurz hinter der Bühne blicken, Hallo allesamt, was macht die Kunst. Bei seiner Beerdigung waren zwölf Leute, einer davon ein Lord.

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