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Berlin: Pflichtgefühl und Freikarten

Höchste Bundespolitiker waren im Wintergarten zu Gast. Das hat den Spediteur Zapf mächtig geärgert

Artistisch gesehen, muss man den Abend des 3. April im Varieté „Wintergarten“ als ausgesprochen gelungen ansehen. Das Publikum hat sich, wie auch im Tagesspiegel zu lesen stand, ganz köstlich amüsiert, begeisterte Pfiffe sollen gar gegellt haben, nicht unüblich im Saal an der Potsdamer Straße.

Einer, der nicht dabei war, rümpfte freilich nach Lektüre des Berichts die Nase. Nicht über Programm und Gäste, sondern darüber, dass diese offensichtlich nichts bezahlt hatten. Das war ihm gestern sogar eine Annonce wert, wiederum in dieser Zeitung: „Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident Rau, sehr geehrter Herr Bundestagspräsident Thierse“ – in der Anrede blieb Klaus E. H. Zapf, Unternehmer im Speditionswesen, konziliant, in der Sache unerbittlich. „Ich bitte Sie, sich zu vergegenwärtigen, dass Bediensteten im öffentlichen Dienst die Annahme von Gefälligkeiten und Geschenken bei Strafe untersagt ist, Sie sich jedoch herausnehmen, mit schlechtem Beispiel voranzugehen.“

Das Varieté hatte Rau und Thierse, dazu eine ganze Reihe von Bundespolitikern zu seinem aktuellen Programm „Tandem“ eingeladen, um sich für ihre politische Arbeit zu bedanken. „Sie beschädigen dadurch das Amt“, antwortet Zapf, befragt man ihn näher zu seiner achtzeiligen Anzeige. Nach der Bonusmeilen-Affäre sei doch eigentlich mehr Sensibilität zu erwarten gewesen. „Gibt es irgendeine Begründung, dass das Staatsoberhaupt etwas umsonst annimmt?“, so seine rhetorische Frage. Wenn er Vergleichbares versuchen würde, käme er doch sofort vor den Kadi. Er habe ja in Behörden schon Probleme, überhaupt nur einen Kugelschreiber loszuwerden. Und er persönlich würde nie irgendwo hingehen, wo es nichts kostet. Wenige Tage später käme doch sofort ein Anruf: Ob man nicht mal das und das machen könne…

In der Riege der potenziell gratis Eingeladenen sieht man das freilich anders. „Einladungen werden je nach Terminlage geprüft und angenommen“, erläutert Senatssprecher Michael Donnermeyer, der darin „dienstliche Veranstaltungen“ sieht. Politiker und auch Journalisten würden zu solchen Veranstaltungen gratis eingeladen, es sei schließlich auch Werbung. Schlimm findet er das aber nicht. Zunächst sei es natürlich Werbung für den Veranstalter, dann aber auch für den Standort Berlin. „Wir wollen ja, dass es solche Varietés hier gibt.“ Anderenfalls würde den Politikern nur wieder vorgeworfen, dass sie sich nicht genügend für den Standort einsetzten. Wenn ein Veranstalter und damit der Standort von der Prominenz eines Politikers profitiere, sei das legitim. Der Regierende Bürgermeister erhalte viele Einladungen zu Theater- oder Opernpremieren. Es sei dann erste Pflicht, diese auch anzunehmen. ac

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