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Nach der BER-Aufsichtsratssitzung am Freitag marschierten Flughafenchef Karsten Mühlenfeld (l.) und der Regierende Bürgermeister Michael Müller noch gemeinsam.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Pfusch am Berliner Flughafen BER: Was nicht geht, geht auch nicht kaputt

BER-Chef Karsten Mühlenfeld analysiert im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses unfreiwillig komisch die Flughafenprobleme. Ein Berliner stellt Anzeige wegen Untreue.

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Wenn jetzt alles glattgehe, könne der Flughafen wie geplant eröffnet werden. Das versicherte Flughafen-Chef Karsten Mühlenfeld am Mittwoch den Mitgliedern des Hauptausschusses. Die jedoch zeigten sich skeptisch – denn bei diesem Bau ist von Anfang an fast gar nichts glattgegangen. Und so wurden Mühlenfeld und Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup einem mächtigen Fragen-Kreuzfeuer unterzogen. Nicht auf alles hatten sie eine Antwort.

Neuestes Problem in der skandalreichen Geschichte ist das Gewicht der Deckenventilatoren im Terminal. „Wir haben nachgerechnet“, sagte Mühlenfeld. „Die Arbeitsbühnen halten die Lasten aus, obwohl sie überhöht sind – solange die Ventilatoren nicht betrieben werden.“ An dieser Stelle gab es bittere Lacher – denn wegen dieses Problems ist nun das Terminal gesperrt, und die Arbeiten können nicht weitergehen. Denkbar sei, so Mühlenfeld, dass man durch detailliertes Neuberechnen der Statik doch noch zum Ergebnis komme, dass sie benutzbar seien. Im Moment sieht es danach aber nicht aus: Die Terminalhalle bleibe gesperrt, bestätigte Stephan Loge (SPD), Landrat des Kreises Dahme-Spreewald, am Mittwoch dem Tagesspiegel. Zwar habe die Flughafengesellschaft schon vor einigen Tagen unter Verweis auf ein neues Statikgutachten eine Teilfreigabe der Terminalhalle für die Bereiche unter den zehn leichten Ventilatoren beantragt, die das zulässige Höchstgewicht von zwei Tonnen um 300 Kilogramm überschreiten. „Aber das ist nicht genehmigungsfähig, weil es in Kollision zum Baustellenbrandschutz steht“, sagte Loge. „Der Flughafen sucht jetzt eine andere Lösung für das Problem.“ Diese Lösung könnte ein eigener Baubrandschutz sein, der ohne die Ventilatoren auskommt. Ein solcher sei in Planung, so Mühlenfeld. Wie genau dieser „Baubrandschutz“ funktioniert, sagte der Flughafenchef nicht.

Verantwortlich ist nach Mühlenfelds Angaben die Planungsgesellschaft BBI, die als Generalplaner eingesetzt war und 2012 rausgeflogen ist. Seitens der Statik war das Limit für die Deckenventilatoren ein Gewicht von zwei Tonnen gewesen; bei der Lüfterbestellung sei aber kein Gewichtslimit gesetzt worden, so Mühlenfeld. Da die Firma pleite sei, gebe es dort nichts zu holen, und die Gewährleistungsfrist sei auch abgelaufen. Dies wiederum regte den SPD-Haushaltspolitiker Torsten Schneider auf. „Das ist mir zu lapidar“, sagte Schneider, zugleich parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion. Man könne doch wenigstens versuchen, die verjährten Ansprüche aufzurechnen.

Auch Linken-Haushälterin Jutta Matuschek wollte sich nicht zufriedengeben. „Warum wurden die Mängel nicht bei den Baufirmen geltend gemacht?“, wollte sie wissen. „Wo war die Bauüberwachung? Welche Kontrollmechanismen wurden geschaffen, damit das nicht wieder vorkommen kann? Wenn alle ihre Arbeit machen, kann so etwas doch nicht passieren!“

Das jüngst bekannt gewordene Problem der Brandschutzwände, die keine sind, kam ebenfalls dran. Das Problem sei nicht neu, es sei nur aufgebauscht worden, sagte Lütke Daldrup. „An 1000 Wänden sind Modifikationen nötig, davon an 400 nur minimale, und bei den restlichen 600 Wänden gibt es für 80 Prozent schon eine Planung – daran sieht man schon, dass das Problem schon länger bekannt ist.“ Die Mängel hätten unterschiedliche Ursachen – zum Beispiel seien einige Wände vermörtelt worden statt verklebt und müssten nun ausgetauscht werden.

Piraten-Politiker Heiko Herberg sah hier „grobe Fahrlässigkeit“ und fragte nach rechtlichen Schritten gegen den Projektsteuerer. Es würden Regresse versucht, wo dies möglich sei, sagte Mühlenfeld. Dafür brauche man allerdings eine klare Aktenlage: „In den Jahren bis 2012 liegt aber keine klare Aktenlage vor.“

Neben der zivilrechtlichen gibt es auch noch die strafrechtliche Seite, und die will jetzt der Berliner Holger Doetsch aufklären lassen. Doetsch, der als Publizist und Dozent für Medien- und Urheberrecht arbeitet, hat Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft Cottbus gestellt. Er begründet ihn so: „Eigentlich ist es schlimm genug, dass sich die deutsche Hauptstadt national und international der Lächerlichkeit preisgibt“, sagte Doetsch. „Darüber hinaus kann es nicht sein, dass beim BER offensichtlich Steuergelder in beträchtlichem Ausmaße versenkt werden, und niemand dafür die Verantwortung übernimmt.“ Die Strafanzeige gegen unbekannt „wegen Untreue und aller anderen in Betracht kommenden Straftatbestände“ verweist vor allem auf die Dimensionen des Baupfuschs beim neuen Flughafen, der zu einem „Vermögensnachteil für die öffentliche Hand“ führe.

Ausdrücklich bezieht die Strafanzeige aber auch die „eklatanten Statikprobleme“ wegen der Deckenventilatoren ein. Es sei daher auch zu überprüfen, „ob es durch die möglicherweise fehlerhafte Planung der Statik zu einer Gefahrenlage für die Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter auf dem BER gekommen ist, und wer gegebenenfalls davon gewusst und damit eine bewusste Gefährdung von Menschen in Betracht gezogen hat“. Seit einer Woche prüft die Staatsanwaltschaft bereits die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Baugefährdung.

Durch die neuen Verzögerungen liegt man nun drei bis vier Monate im Rückstand; von dem eingeplanten sechsmonatigen Zeitpuffer ist also schon der größte Anteil aufgebraucht. Der Bau soll nun zum Sommer 2016 abgeschlossen werden. Danach werden noch mindestens zwölf Monate für Probeläufe benötigt. Zunächst findet dann die technische Inbetriebnahme statt; dann folgt das Orat-Programm, bei dem unter Echtbedingungen alle Abläufe des laufenden Betriebs geprobt werden. Noch steht der Plan, zum Herbst 2017 ans Netz zu gehen.

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