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Eine Sondersitzung des Gesundheitsausschuss zum Medikamentenskandal. Bild vom 25. Juli 2018.

© picture alliance/Bernd Settnik/dpa-Zentralbild/dpa

Pharmaskandal in Brandenburger: Debatte um Konsequenzen aus Lunapharm-Skandal

In Brandenburg geht es nun um die Folgen des Pharmaskandals. Bei einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses müssen die Verantwortlichen viele Fragen beantworten.

Die Krebspatienten, die deutschlandweit vom Lunapharm-Skandal um gestohlene und womöglich unwirksame Medikamente betroffen sind, werden möglicherweise weiter in Unsicherheit leben müssen. Das ergibt sich aus Aussagen jenes Fachmannes, der an der Spitze der Brandenburger Task-Force zur Aufklärung dieses Medikamenten-Skandals steht.

Es ist Ulrich Hagemann, pensionierter langjähriger Abteilungsleiter im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, der sich am Donnerstag auf der Sondersitzung des Gesundheitsausschusses im Brandenburger Landtag gemeinsam mit der zuständigen Fachministerin Diana Golze (Linke) und Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) den bohrenden Fragen der Abgeordneten stellte. „Es gibt keine Möglichkeit, Patienten zu identifizieren, die Medikamente aus dem Pool von Lunapharm erhalten haben“, sagte Hagemann. In den Apotheken würden diese nicht registriert.

Testergebnisse bis zum 28. August

Nach seinen Worten, das war die positive Nachricht, gibt es aber Rückstellmuster von bestimmten Chargen aus beschlagnahmten Lunapharm-Beständen, die derzeit in Laboren untersucht würden und die Aussagen zur Wirksamkeit zumindest dieser Medikamente zulassen.

„Diese Testergebnisse sind entscheidend. Dann können wir sagen, ob die pharmazeutische Qualität in Ordnung ist.“ Es könne sein, dass das der Fall sei. Bis zum 28. August will die von Hagemann geleitete Task-Force ihren Bericht über Behördenversäumnisse bei diesem Skandal und nötige Konsequenzen vorlegen.

Erst am Vortag war bekannt geworden, dass allein in Berlin und Brandenburg mindestens 220 Krebspatienten Medikamente der Firma Lunapharm bezogen haben, die vermutlich aus Krankenhäusern in Griechenland stammten und inzwischen vom Gesundheitsministerium zurückgerufen wurden. Sie waren aus Mahlow an drei Berliner Apotheken geliefert worden und von dort an Arztpraxen und eine Reha-Klinik der Region gegangen.

Insgesamt waren die problematischen Lunapharm-Präparate an Apotheken in elf Bundesländer geliefert worden. Selbst Brandenburgs Landesregierung hatte erst durch Medienberichte von der Antwort des Berliner Senats erfahren, dass auch Brandenburger Patienten betroffen sind.

Das Golze-Ministerium sieht sich, was die Ministerin jetzt wiederholte, außerstande, zu ermitteln, wie viele Patienten betroffen sind. Golze und Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bedauerten, dass es keine Information Brandenburgs durch Berlin gegeben hat.

Woidke: „Momentan hat Frau Golze mein volles Vertrauen“

Politisch gerät in der vierten Woche des Skandals in Brandenburg neben der schwer beschädigten Ministerin nun auch immer mehr Ministerpräsident Woidke selbst unter Druck. Am Mittwoch blieb er drei Stunden im Ausschuss – geplant war eine Stunde wegen dringender Termine –, nachdem die Opposition von CDU und Grünen ultimativ auf seiner Anwesenheit bestanden hatte.

„Im Mittelpunkt steht, die betroffenen Patienten, deren Familien und Angehörige zu stärken, zu schützen. Sie sind die Opfer“, betonte Woidke. Deren Vertrauen sei schwer erschüttert worden. „Sie müssen sich auf die medizinische Versorgung verlassen können – auch auf ein starkes staatliches Aufsichtssystem.“

Zwar stellte sich Woidke hinter Golze, allerdings so: „Momentan hat Frau Golze mein volles Vertrauen.“ Zugleich wiederholte der Ministerpräsident, dass die Entscheidungen über „strukturelle, organisatorische und personelle Konsequenzen“ erst nach Vorlage des Berichtes der Task-Force getroffen werden. Er schloss nicht aus, dass es „weitere Kommissionen“ geben könne.

Er wiederholte seine Aussage, dass das Kabinett Ende des Monats anders aussehen könne als jetzt. Auf Distanz ging Woidke zu Aussagen Golzes, die als Co-Vorsitzende der Linken in einem Brief an die Basis Opposition und Medien massiv angegriffen hatte. Das sei „nicht hilfreich“.

Golze bemüht sich um sachlichen Auftritt

Und Golze selbst? Im Ausschuss bemühte sich die extrem unter Druck stehende Ministerin, die von Abgeordneten der AfD, der Grünen, der CDU und auch der SPD ins Kreuzverhör genommen wurde, um einen sachlichen Auftritt. Auf Fragen, welche persönlichen Fehler sie gemacht habe, antwortete Golze: Sie habe die Task-Force eingesetzt, warte deren Bericht ab. „Erst danach kann ich das in vollem Umfang einschätzen.“

Den Vorwurf, nach Bekanntwerden des Skandals zu zögerlich gehandelt zu haben, wies Golze zurück. Sie habe alles veranlasst, was nötig gewesen sei, die Task-Force eingesetzt, mit Ministerkollegen in der ganzen Bundesrepublik telefoniert, in einer Zeit, „die für mich nicht einfach ist, die bisher schwerste als Ministerin.“

Und nicht nur das. Im Ausschuss wurde vom Golze-Ministerium an die Abgeordneten und Medien eine Chronologie der Abläufe verteilt, wann und wie die Behörden auf Hinweise aus Griechenland und Polen zum Verdacht illegaler Medikamenten-Importe durch Lunapharm reagierten. Danach war nicht allein das Landesamt für Arbeitsschutz und Gesundheit (LAVG) seit Ende 2016 im Bilde, sondern auch das von Golze geführte Ministerium selbst. Und das über den gesamten Zeitraum seitdem.

Wie arbeitsfähig ist diese Behörde aktuell?

Und es gibt neue Fragen. Einige Mitarbeiter der für Arzneimittelaufsicht zuständigen Landesbehörde, die auch von der Task-Force befragt werden, „kommunizieren derzeit nur über Anwälte mit der Hausspitze“, sagte die Ministerin. Wie arbeitsfähig ist diese Behörde aktuell eigentlich? Mitgeteilt wurde auch, dass in Brandenburg derzeit ein einziger sogenannter GMP-Inspekteur im Dienst ist, für die Überwachung von 66 Pharmagroßhändlern und 149 Herstellungsbetrieben, zu denen auch Re-Importeure wie Lunapharm zählen. Während sich der Landtag erneut mit dem Lunapharm-Fall befasste und die CDU danach von Woidke die sofortige Entlassung Golzes verlangte, fordert die Berliner FDP die Bundesregierung zum Eingreifen auf. „Mehr als 220 Menschen in Berlin und Brandenburg wurden mit den wirkungslosen Krebsmedikamenten behandelt – die Dunkelziffer könnte noch weitaus höher liegen“, sagte Sebastian Czaja, Chef der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus.

„Obwohl das gesamte Bundesgebiet betroffen sein könnte, hört man von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bisher überhaupt nichts. Herr Spahn muss jetzt einen runden Tisch mit allen Gesundheitsministern der Länder einberufen und die Sorgen der betroffenen Patienten ausräumen.“

Tatsächlich war kürzlich bekannt geworden, dass die Firma Lunapharm die umstrittenen Krebspräparate in insgesamt elf Bundesländer geliefert hatte. „Die Aufklärung dieses Pharmaskandals muss von oberster Stelle geleitet werden“, fordert Czaja, „alles andere ist unterlassene Hilfeleistung.“

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