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Berlin: Phlox lockt

Im Botanischen Garten ist wieder Pflanzenmarkt – mit 100 Anbietern Diesmal gibt es auch eine „Schaustelle“: das sanierungsreife Große Tropenhaus

Besucher verließen den Botanischen Garten gestern ungewöhnlich schwer bepackt – mit Tüten in der Hand und Pflanzen im Arm. Der Hauptweg zwischen den Eingängen Königin-Luise-Platz und Unter den Eichen hatte sich in eine blühende und duftende Promenade verwandelt: Es ist Staudenmarkt. Mehr als 100 Staudengärtner, Baumschulen, Kräuterbauern, Bioverkoster und weitere Anbieter rund ums Balkon- und Gartengrün gestalteten die 1000 Meter zu einer einzigen Verlockung für Balkon- und Schrebergärtner.

Da prunkte Phlox, die „Staude des Jahres“, in allen Schattierungen von Weiß über Rosa bis Lachs und Rot bis Violett. Da duftete würzig Buchs, zu Dreifachkugeln geschnitten. An anderer Stelle bekam mancher die Nase nicht aus den nostalgischen Rosen. Da lockte hier ein Kartoffelnaschgang und dort eine Tomatenprobiermeile. Über Obstbaumschnitt konnte man sich informieren und über alles, was mit Grün zusammenhängt. Ein netter Pflanzenmann aus Belgien beriet über Clematis-Probleme, ein Mann aus Pirna gab gemütlich sächsisch Auskunft über seine Minipflanzen. Aus ganz Deutschland, aber auch aus Österreich und Prag kamen die Teilnehmer des Staudenmarktes, der jährlich etwa 10 000 Besucher anzieht.

Nur: Gestern wurde noch etwas geboten. Das Große Tropenhaus ist derzeit eine „Schaustelle“. Das denkmalgeschützte fast 100-jährige Wahrzeichen des Botanischen Gartens ist seit dem 1. August geschlossen. Bis Ende 2008 soll es saniert sein – die dafür nötigen 16 Millionen Euro kommen aus dem Umweltentlastungsprogramm, kofinanziert von der Europäischen Union und dem Land Berlin. Knapp 60 Staudenmarktbesucher waren es, die sich gestern zur ersten Führung um 13 Uhr vorübergehend von Phlox und Co. losrissen, um Michael Krebs, dem Sonderbeauftragten der Tropenhaussanierung, auf die Baustelle zu folgen. Zu sehen gab es außer Resten der Grotte, die ebenfalls neu entsteht – nichts. Das 60 Meter lange, 29 Meter breite und 26,5 Meter hohe bleiverglaste Gebäude, weltweit eines der größten frei tragenden Gewächshäuser, ist schlicht kahl. Für die sonst etwa 4000 Pflanzen und 1358 Arten musste anderswo im Botanischen Garten enger zusammengerückt werden. Nur die 17,5 Meter hohe Königspalme, an die nur noch ein riesiges Erdloch erinnert, und drei weitere große Palmenarten mussten in Sicherheit gebracht werden. Sie reisten zum Indoor-Regenwald von Tropical Islands in Brand in der Niederlausitz.

Wenn sie zurückkehren, erwartet sie ein neues Zuhause: außen mit Sand gestrahltem, blitzsauberem Stahlgerüst, innen viel heller. Die durch Millionen Haarrisse undichte Acrylglasfassade wird durch eine Wärmeschutzverglasung ersetzt, die mehr Licht durchlässt und nicht beschlägt. Clou der umfangreichen technischen Neuerungen wie Fassaden-, Fußboden- und Luftheizung, die Michael Krebs gestern sicher nicht zum letzten Mal bei einer „Schaustelle“ erläuterte, werden zwei 16 Meter hohe Umwelttürme, die quasi warme Luft von oben absaugen und unten wieder herauspusten. Notwendige Maßnahmen, damit sich der Energieverbrauch der Pflanzen-„Arche Noah“ künftig halbiert und die Kosten jährlich um 100 000 Euro sinken. Die beiden Umwelttürme werden das Tropenhaus nicht verschandeln: Sie sollen als Urwaldriesen getarnt werden.

„Da kann man ja gespannt sein“, sprach eine Zuhörerin am Eingang des Tropenhauses und stürzte sich dann mit ihren Pflanzentüten ins immer größer werdende Gewimmel des Staudenmarktes.

Auch heute ist noch Staudenmarkt im Botanischen Garten: Eingänge Unter den Eichen in Steglitz (Bus M48) und Königin-Luise-Platz (Bus 101, X83). Eintritt: wie Botanischer Garten – 5 Euro, ermäßigt 2,50 Euro, Jahreskarten sind gültig.

Heidemarie Mazuhn

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