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Berlin: Pieroths Milliarden-Geschäft im Jahr 1995 war verfassungswidrig

Klage der Grünen gegen "Vorfinanzierung" bestätigt: Kredit ohne gesetzliche GrundlageVON HANS TOEPPEN BERLIN.Der damalige Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) hat 1995 bei einem Milliarden-Geschäft zur Deckung der Haushaltslücken gegen die Berliner Verfassung verstoßen.

Klage der Grünen gegen "Vorfinanzierung" bestätigt: Kredit ohne gesetzliche GrundlageVON HANS TOEPPEN BERLIN.Der damalige Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) hat 1995 bei einem Milliarden-Geschäft zur Deckung der Haushaltslücken gegen die Berliner Verfassung verstoßen.Pieroth hatte damals die gesamten Forderungen des Landes an Zinsen und Tilgungen aus den Wohnungsbaudarlehen seit 1952 für rund eine Milliarde Mark an die Investitionsbank "verkauft".Der Berliner Verfassungsgerichtshof hat diesen Deal auf eine Klage der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus jetzt als Kreditaufnahme bewertet, die ohne die notwendige gesetzliche Grundlage geschah - verfassungswidrig. Das Urteil hat zwar keine unmittelbaren Auswirkungen mehr.Angesichts der dramatischen Haushaltslöcher in Berlin legt es dem Senat aber strenge Zügel an, soweit es um "Vorfinanzierungen" ähnlicher Art geht.Sie könnten ebenfalls als versteckte und verfassungswidrige Kreditaufnahme gewertet werden.Das für die Finanzpolitik des Senats blamable Urteil kommt nicht überraschend.Schon der Rechungshof hatte im vorigen Jahr festgestellt, daß Pieroths Lückenschließung im Haushalt verfassungs- und haushaltsrechtlich unzulässig sei.Die Rechnungsprüfer bewerteten das Geschäft überdies als unwirtschaftlich.Es werde für das Land Berlin teurer werden als ein normaler Kommunalkredit. Geschehen war folgendes: Für 997 Millionen Mark versilberte der Senat die Forderungen aus der Wohnungsbauförderung an die Investitionsbank, die ehemalige WBK.Diese haushaltsrechtliche Notmaßnahme erhielt den Namen "Vorfinanzierung von Zins- und Tilgungsleistungen aus öffentlichen Baudarlehen". Der Begriff Kredit wurde vermieden, denn Kredite bedürfen eines Gesetzes, also der Zustimmung des Abgeordnetenhauses.Und sie dürfen die Gesamtsumme der Investitionen im Haushalt nicht überschreiten - sie sind also nicht unbegrenzt verfügbar.Der Senat sprach demgemäß von "Verkauf". Das Gericht nennt das aber einen "Kreditvertrag mit Rückzahlungsverpflichtung": Die Investitionsbank ziehe die Zins- und Tilgungsleistungen ein und verwende sie wiederum zur Tilgung der an Pieroth überwiesenen Milliarde.Das Risiko dabei trage Berlin: Wenn ein Darlehensnehmer nämlich nicht zahlt, muß das Land der Bank "die nach der ursprünglichen Annahme zu erwartenden Zahlungen termingerecht ersetzen".Außerdem muß der Senat weiterhin jährlich 65 Millionen an den Bund für dessen Anteil an der Bauförderung überweisen." Kein Mut zum Haushaltsloch" Zwei Personen konnten sich durch die Entscheidung des Verfassungsgerichts gestern besonders bestätigt fühlen: Die grüne Haushaltsexpertin Michaele Schreyer, die die Klage gegen den Senat geprägt hatte und sich gestern folglich "guter Dinge" fühlte.Und der Präsident des Rechnungshofs Horst Grysczyk, dessen Haus die "Vorfinanzierung" des Senats schon vorher als verfassungswidrig kritisiert hatte.Ähnliche Verkäufe werde der Senat künftig nicht mehr ohne Einschaltung des Abgeordnetenhauses in Gang setzen können, meinte Grysczyk gestern.Grysczyk hielt nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg, daß Pieroths Aktion damals "forciert wurde aus Angst vor dem Jahresabschluß 1995".Der Senat habe eben "nicht den Mut, ein großes Haushaltsloch aufzuzeigen".Ähnlich argumentiert Schreyer, die nunmehr meint, "der Senat kann vor den Haushaltsproblemen nicht mehr in die heimliche Kreditaufnahme flüchten." Die Grünen hatten wegen des Falls im Juni vorigen Jahres einen Mißtrauensantrag gegen Pieroth im Parlament eingebracht, waren damit aber an der großen Koalition gescheitert.-pen

HANS TOEPPEN

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