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Berlin: Pilgern nach Babylon

Das Pergamon-Museum zieht erneut die meisten Besucher an. In der aktuellen Rangliste folgen das Haus am Checkpoint Charlie und das Jüdische Museum, das auch im zweiten Jahr sehr erfolgreich war

Mit geschätzten 8,8 Millionen Gästen könnten die Berliner Museen nach Ansicht der Kulturverwaltung auch in diesem Jahr ihre Besucherzahlen „auf höchstem Niveau“ stabilisieren. Spitzenreiter waren im Vorjahr das Pergamonmuseum mit rund 800000 Besuchern, das Haus am Checkpoint Charlie mit 670000 und das Jüdische Museum, das im vergangenen Jahr beinahe genau so viele Besucher begrüßen konnte. Allein im vergangenen Monaten kamen 70 000 Besucher, so viel wie nie zuvor. Das Deutsche Historische Museum, dessen Zeughaus bis Ende 2004 geschlossen ist, zieht allein durch den neuen Ausstellungsbau die Besucher an. Peter Moeller und seine Frau Brigitte sind am Wochenende zum ersten Mal im neuen Ausstellungsgebäude des Deutschen Historischen Museums. Vor einem halben Jahr wurde der Bau eröffnet; die Moellers schämen sich, erst jetzt zu kommen.Es ist nicht die Ausstellung „Bilder, die lügen“, die das Ehepaar bei freiem Eintritt ins Museum verschlagen hat, es ist der Bau des chinesisch-amerikanischen Architekten Ieoh Ming Pei selbst. Gerade architektonisch aufregende Häuser wie der Pei-Anbau des Zeughauses oder das Jüdische Museum von Daniel Libeskind tragen dazu bei, dass sich die Besucherbilanz der Museen trotz sinkender Touristenzahlen nicht verdüstert. Allein jeder zehnte ausländische Tourist beispielsweise schaut sich das Jüdische Museum an.

Bislang sind offiziell erst die Besucherzahlen für das Vorjahr bekannt. Die aktuellen Daten werden sich nach Ansicht der Kulturverwaltung kaum ändern. Aber rund zehn Millionen Besucher im Jahr – das bleibt vorerst noch ein Traum der Berliner Museumsdirektoren. Rainer Klemke aus der Kulturverwaltung freut sich, dass die Gesamtbesucherzahl stabil geblieben ist, Hanns-Peter Nerger von der Tourismus-Marketing-Gesellschaft (BTM) teilt die Freude nicht ganz. Das Besucherpotenzial sei längst nicht ausgeschöpft. „Die Museen sind ein Pfund, mit dem wir wuchern, aber eine übergeordnete Kulturwerbung gibt es noch immer nicht“. Der BTM-Chef hofft für das nächste Jahr auf die Kooperation mit mehreren Häusern, etwa der Staatlichen Museen, und will mit der Berliner Museenlandschaft werben. Die Häuser müssten überregional stärker ins Bewusstsein rücken, sagt Nerger.

Die Jahresbesucherzahlen für 2002 wurden vom Institut für Museumskunde unter 168 Museen und Sammlungen ermittelt. Auffallend sind vor allem die steigenden Besucherzahlen des Hauses am Checkpoint Charlie und des Jüdischen Museums, das erst vor zwei Jahren öffnete. Auch die neu eröffnete Alte Nationalgalerie hat sich mit fast 519000 Besuchern einen Spitzenplatz gesichert. Hohe Besucherzahlen melden das Technikmuseum, das Alte Museum, das Ägyptische Museum, das Schloss Charlottenburg, die Stiftung Stadtmuseum, die Ausstellung der Stiftung Topographie des Terrors, das Museum für Naturkunde in Dahlem, die Gemäldegalerie auf dem Kulturforum, der Deutsche Dom, das Postmuseum und die Neue Nationalgalerie.

Die Kulturverwaltung erwartet noch höhere Besucherzahlen 2004, wenn die Neue Berlinische Galerie, die Sammlung Newton in der Jebensstaße und die Sammlung Flick im erweiterten Hamburger Bahnhof eröffnen. Als gutes Omen gilt auch, dass die Staatlichen Museen zu Berlin ihre Gesamtbesucherzahl trotz vier geschlossener Häuser um rund 200000 auf rund 3,2 Millionen Besuchern steigern konnten. Die Dahlemer Museen leiden aber zunehmend darunter, dass die großen Touristenströme vorbeiziehen.

Selbst das Deutsche Historische Museum Unter den Linden könnte mehr Zuspruch finden. Am Zeughaus, das noch für die Dauerausstellung eingerichtet wird, drücken viele Touristen vergeblich die Klinke, weil sie nicht den Hinweis verstehen, dass der Eingang im neuen Pei-Bau „hinter dem Zeughaus“ ist. Viele verwirrt, dass die Straße dort „Hinter dem Gießhaus“ heißt.

Die Moellers hatten damit kein Problem. Der Pei-Bau hat sie neugierig auf Ausstellungen gemacht. Sie wollen bald wieder vorbeischauen – spätestens zur Zeughaus-Eröffnung nebenan.

Christian van Lessen

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