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Berlin: Pillen, Turbinen, edle Pferde

Zehn Prozent Plus bei den Ausfuhren aus Berlin – was exportiert die Hauptstadt eigentlich?

Was haben 15 Pferde, Spielzeug mit einem Gesamtgewicht von 781 Tonnen und Branntwein im Wert von 2,9 Millionen Euro gemeinsam? Sie gehören zu den Waren, die in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres von Berlin aus in alle Welt geliefert wurden. Mit einem Gesamtvolumen von 7,6 Milliarden Euro bis Ende September lag der Export um 9,8 Prozent über dem Vergleichszeitraum des Vorjahres, so der jüngste Bericht des Statistischen Landesamtes. Die kräftigen Nachfrageimpulse aus dem Ausland sind ausschlaggebend dafür, dass die Berliner Wirtschaftsleistung erstmals nach vier Jahren wieder einen leichten Aufschwung zeigt, so Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) in seinem Rückblick auf 2004.

Seit Jahren befindet sich die ehemalige Produktionsmetropole Berlin im Niedergang, 250 000 Industriearbeitsplätze sind seit der Wiedervereinigung verloren gegangen. Das Wachstum beginnt also auf niedrigem Niveau. Immerhin schauen die Firmen des verarbeitenden Gewerbes jetzt „voller Optimismus“ auf 2005, so das Ergebnis des jüngsten Konjunkturberichts der Industrie- und Handelskammer.

Vor allem Exporteure erwarten ein Plus, jeder Zweite sieht die Zukunft optimistisch, das sind doppelt so viele wie im Vorjahr. Die meisten Waren gehen in EU-Länder (siehe Kasten). Pharmazeutische Produkte sind der Exportschlager der Hauptstadt. Sie bilden mit 1,4 Milliarden Euro (Januar bis September) ein Fünftel des Ausfuhrvolumens. Dafür stehen bekannte Namen wie Schering oder Berlin-Chemie. Beide rechnen für das Gesamtjahr 2004 mit starkem Umsatzplus.

Im Berlin-Chemie Werk am Glienicker Weg in Adlershof werden 235 Produkte hergestellt. Den Schwerpunkt bilden Medikamente gegen Diabetes und Schmerzen sowie Herz- und Kreislaufmittel. Der Exportanteil liegt bei 50 Prozent, rund die Hälfte der 205 Millionen im Jahr produzierten Packungen geht ins Ausland.

Mit rund 3700 Mitarbeitern ist Berlin-Chemie laut Wirtschaftssenator der einzige Betrieb im ehemaligen Ost-Berlin, der heute über mehr Beschäftigte verfügt als vor der Wende. Inzwischen ein Teil der italienischen Menarini-Gruppe, trägt die Firma im Konzern die Verantwortung für die Märkte in Osteuropa, Indien und China. „In Russland, den baltischen Staaten und der Ukraine sind wir Marktführer oder auf den vordersten Plätzen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Dr. Reinhard Uppenkamp. Exportiert wird in 27 Länder, rund 2500 der Mitarbeiter zählen zur Vertriebsorganisation.

Geräte zur Elektrizitätserzeugung und -verteilung sind das zweite Spitzenprodukt auf der Hitliste der Exporte. In den ersten neun Monaten des Jahres 2004 hatten sie einen Anteil 8,3 Prozent bei einem Volumen von 630 Millionen Euro. In zwei der Berliner Siemens-Werke sind insgesamt mehr als 3000 Mitarbeiter fast ausschließlich für den Export tätig, so Firmensprecher Harald Prokosch. Die beiden Betriebe erwirtschaften zu gleichen Teilen einen Jahresumsatz von insgesamt rund einer Milliarde Euro. Der Bereich Power Generation liefert Gasturbinen zur Stromerzeugung in die ganze Welt, 60 Länder stehen auf der Kundenliste. Auch der globale Service erfolgt von Berlin aus. Im ehemaligen Schaltwerk, dass sich jetzt „Power Transmission and Distribution“ nennt, werden Stromschalter für Hoch-, Mittel- und Niederspannung produziert. Sie gehen in 125 Länder, bis nach Lateinamerika und Australien. Hauptmärkte sind mit zusammen mehr als 50 Prozent des Umsatzes die USA und China, Osteuropa zeigt eine steigende Tendenz.

Auch Motorräder aus Berlin sind ein Renner. Von den rund 90 000 Krädern, die BMW jährlich im Werk am Juliusturm in Spandau fertigt, werden etwa 66000 ins Ausland geliefert. „Wir exportieren in nahezu alle Länder der Welt“, sagt Unternehmenssprecher Dietmar Krohm. Mit circa 14000 Maschinen sind die USA der größte Abnehmer, gefolgt von Italien, Frankreich und Spanien. Insbesondere Polizeibehörden zeigen rund um den Globus starkes Interesse an den Zweirädern aus Berlin. Zu den Kunden im vergangenen Jahr gehörten auch Ecuador, Gabun, Madagaskar, Oman sowie Trinidad und Tobago. Im Rahmen der Aufbauhilfe wurden auch Motorräder nach Afghanistan geliefert.

Rund 2500 Mitarbeiter sind im Spandauer BMW-Werk beschäftigt. Im dritten Quartal 2004 lag der Umsatz der Motorradsparte mit 256 Millionen Euro um 15,8 Prozent über dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Für den Gesamtzeitraum von Januar bis September lag man mit 837 Millionen Euro noch knapp unter 2003, das wird auf das allgemein schwierige Marktumfeld sowie modellzyklusbedingte Effekte aus dem ersten Quartal zurückgeführt.

„Die steigende Exportquote ist ein positives Zeichen dafür, dass sich die Berliner Wirtschaft in international konkurrenzfähigen Strukturen neu aufgestellt hat“, sagt der Sprecher des Wirtschaftssenators, Christoph Lang. Zu den Direktausfuhren komme noch der bedeutende Anteil der Zulieferindustrie, der sich nicht in der Berliner Statistik äußere.

So gehe ein Großteil der künftig im Marienfelder DaimlerChrysler-Werk gefertigten V-6-Motoren nach dem Einbau in Mercedes-Fahrzeuge in den Export. Und auch die Ausbildung ausländischer Nachwuchs-Führungskräfte in Berlin sei „ein wichtiger Exportartikel, der sich in keiner Handelsbilanz niederschlägt“.

Übrigens: Von den anfangs erwähnten 15 Pferden gingen zwölf nach Südkorea und zwei in die USA. Von besonders edlem Geblüt muss jener Vierbeiner gewesen sein, der von Berlin nach Kanada exportiert wurde. Sein Wert ist in der Statistik mit 85 000 Euro erfasst.

Rainer W. During

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