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Christopher Lauer wendet sich an die Basis - mit einem Weckruf.

© dpa

Piratenparteitag in Berlin: Lauers Weckruf an die Basis

Mit nachdenklichen Worten hat sich Christopher Lauer auf dem Parteitag der Piraten an die Basis gewandt. Er sprach von tiefen Gräben zwischen Basis und Fraktion - und seinem persönlichen Verlust an Privatsphäre und Lebensqualität. Die Basis hat reagiert.

Mit einer Aussprache zur Arbeit der Abgeordnetenhausfraktion hat der zweite Tag des Landesparteitags der Berliner Piraten begonnen - und Fraktionschef Christopher Lauer hat sich mit eindringlichen Worten an die Basis gewandt.

Die Piraten würden unter dem Schlagwort Mitmachpartei immer die Basisdemokratie hochhalten, sagte Lauer. Sein persönliches Erleben, und das decke sich wohl mit dem Erleben einiger anderer Fraktionäre, sei aber, „dass da wenig kommt.“ Mit ihrem Liquid Feedback-System hätten die Mitglieder der Berliner Piraten eine einmalige Möglichkeit, sich "konkret an Landespolitik zu beteiligen" - würden diese Möglichkeit aber nicht nutzen. "Die Gräben zwischen Menschen und Politik rekonstruieren wir, seit wir im Abgeordnetenhaus sind", sagte Lauer.

"Wie stellt ihr euch das vor?", fragte er seine Parteikollegen. Wenn er aus einer zweistündigen Sitzung zur Aufklärung des NSU-Skandals komme und Medienvertreter vor der Tür warteten - solle er dann die Journalisten auffordern, ein Statement von der Basis einzuholen?

Und was sei überhaupt Basisdemokratie, fragte Lauer mit Blick auf die am Sonntagmorgen versammelten rund 150 Parteimitglieder. "Wir haben rund 3800 Mitglieder. Sitzen die hier alle? Wer ist denn die Basis? Wir stellt ihr euch das vor mit der Basisdemokratie?"

Auch die Konsequenzen seines Mandats auf sein Privatleben thematisierte der Fraktionschef, in der Öffentlichkeit zu stehen, bedeute für ihn nämlich einen "Verlust an Privatsphäre und Lebensqualität". Würde er auf dem Ostbahnhof stehen und telefonieren, könne er in der Regel nur einen Moment später ein Foto von sich auf Twitter finden. "Ich sag euch eins", schloss Lauer: "Ich mach das gerne, aber wenn wir nicht mal anfangen, miteinander zu reden, fragen uns die Leute 2016 tatsächlich: Was macht ihr denn anders als die anderen Parteien?"

Lesen Sie die Ereignisse und Reaktionen in unserem Live-Ticker nach:

14:10: Was im Moment geschieht, ist wohl eher etwas für echte Feinschmecker. Es geht wieder um einen Nachtragshaushalt, diesmal aber um einen für den Landesverband selbst. Probleme bereitet Geld, das vielleicht dem Landesverband, vielleicht aber auch dem Bundesverband gehört. Wie vorsichtig also muss man bei den Finanzen planen? Die Debatte zieht sich. "Demokratie ist, wenn der Weg mehr weh tut als das Ergebnis", twitterte Bundesvorstandsmitglied Klaus Peukert zur vorherigen Flughafen-Debatte. Vielleicht passt dieses Zitat auch hier.

13:50: Im Saal richtete sich die Stimmung zu Beginn der Debatte eher dagegen, dem Nachtragshaushalt - und damit dem rot-schwarzen Flughafen-Finanzierungskonstrukt - zuzustimmen. Am Ende einigt man sich auf einen Antrag, der sich dafür ausspricht, den BER zügig fertig zu bauen und solide zu finanzieren - dagegen kann wohl niemand etwas haben.

13:08 Nach einer kurzen Pause geht's weiter. Wie will man umgehen mit den 444 Millionen Euro, die Rot-Schwarz plötzlich im Haushalt gefunden hat? Dem Nachtragshaushalt zustimmen oder nicht - oder den Flughafen einfach abreißen? Noch ist die Lage unübersichtlich, und neben den ernsthaften Anträgen kursiert auch so mancher kurioser Vorschlag, so wie jener, das Land Berlin unter finanzielle Zwangsverwaltung zu stellen. "Zwangsverwaltung durch wen jetzt, unsere neuen Insektenherrscher?", fragt der Abgeordnete Simon Weiß per Twitter.

12:21: Weiter geht's. Nun diskutiert der Parteitag zum Nachtragshaushalt, den Rot-Schwarz vorgelegt hat, die Aussprache zwischen Basis und Fraktion ist beendet. Und vielleicht gibt es schon die erste kleine Auswirkung: Nichts, gar nicht finde sind im Liquid Feedback zum Thema Bauen und Wohnen, hatte der Abgeordnete Oliver Höfinghoff moniert. Prompt kommt eine Nachricht über die Mailingliste: Wer hat Lust, eine Arbeitsgruppe zu gründen?, fragt ein Parteimitglied.

11:45: Übrigens sind nicht alle Mitglieder der Fraktion anwesend: Gerwald Claus-Brunner, Susanne Graf, Simon Kowalewski und Andreas Baum fehlen - und schon stimmt das nicht mehr: Während dieser Blog-Eintrag entsteht, läuft Claus-Brunner durch den Saal und auf die Bühne. Per Twitter hatte es schon Kritik daran gegeben, dass er nicht hier ist. "Sorry, aber die #lmvb ist Pflichttermin für Mandatsträger", schrieb Fraktionskollege Alexander Morlang und richtete sich damit auch an Graf. Die aber bat um Entschuldigung, sie fühlt sich gesundheitlich nicht wohl und verfolgt die Aussprache von zu Hause per Stream.

11:30: In einer Aussprache geht es nun um die Punkte, die Lauer angesprochen hat, und beide Seiten, Fraktion wie Basis, diskutieren so sachlich wie grundsätzlich.

Thema ist vor allem, wieviel Input von der Basis an die Fraktion gelangt und wie die gegenseitige Kommunikation gelingt. Martin Delius, designierter Vorsitzender des Flughafen-Untersuchungsausschusses, sagt, speziell bei der Vorbereitung des Untersuchungsausschusses sei der Input extrem hoch gewesen. Allgemein gesprochen fordert aber auch er die Basis eindringlich auf, viel mehr Initiativen ins Liquid Feedback-System einzuspeisen. Der Abgeordnete Alexander Morlang berichtet, in seinem Fachbereich gebe es kein Squad, also keine Themen-Arbeitsgruppe. "Wenn ich ein Squad gründe, ist das top-down. Wenn ich keins gründe, gibt es kein Squad. Ich habe dafür keine Lösung", sagt Morlang.

Umgekehrt berichten aber auch Basispiraten davon, ihre Anliegen würden nicht beachtet. Von nicht beantworteten E-Mails ist die Rede und von Initiativen und Ideen, die Abgeordnete trotz mehrerer Mails schlicht nicht wahrnahmen - bis sie schließlich über die Fraktion der Grünen einen Weg ins parlamentarische System fanden.

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