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Berlin: Pixel aus dem All

Das Institut für Planetenforschung in Adlershof hat die Marskamera entwickelt

Der Objektivdeckel der Weltraumkamera ist eine Metallplatte mit einem großen roten Griff in der Mitte. Der Griff hat die Aufgabe, menschlicher Schusseligkeit vorzubeugen. Seine Botschaft ist: Nimm mich ab, bevor du die Kamera zum Mars schickst! Hätten die Wissenschaftler vom Institut für Planetenforschung in Adlershof diese Botschaft überhört, wäre ein wichtiger Teil der Mars-Mission der Europäischen Weltraumorganisation ESA gescheitert und eine Flutwelle aus Spott hätte sich über Deutschland ergossen. Ein unterlassener Handgriff mit unabsehbaren politischen Folgen.

Ralf Jaumann, stellvertretender Leiter des Forschungsinstituts, lächelt bübisch bei dieser Vorstellung. Als die „High-Resolution-Stereo-Camera“ für den Flug in den Weltraum vorbereitet wurde, sammelten die Forscher alle rot markierten Teile und fotografierten sie. Jeder wollte sichergehen, nichts, aber auch absolut nichts, was für die Reise zum rund 230 Millionen Kilometer entfernten Mars nötig ist, zu vergessen.

Dort schwebt die Kamera nun seit viereinhalb Monaten und liefert aus einer Entfernung von mindestens 250 Kilometern faszinierende dreidimensionale Panoramafotos von der Oberfläche des roten Planeten. Konzipiert und entwickelt wurde die Kamera in Adlershof. Nur drei Exemplare wurden gebaut. Eine erste Version der HRSC-Kamera war bei der 1996 gescheiterten russischen Mars-Mission verloren gegangen. Das Schwestermodell ist derzeit am Mars zu finden und wird die Erde nie mehr wiedersehen.

Die dritte Kamera steht im Labor des Berliner Instituts. Sie dient als Referenzmodell, um etwaigen Fehlfunktionen der Mars-Kamera besser auf den Grund gehen zu können. An ihr kann man auch das Abnehmen des Kameradeckels demonstrieren. Man löse vier kleine Schrauben mit einem handelsüblichen Imbusschlüssel – und fertig.

Von der Mars-Kamera gibt es auch eine irdische Version zum Einsatz in Flugzeugen. Damit versucht eine Firma, in Kooperation mit dem Berliner Institut Geld zu verdienen. Der erste größere Auftrag kam von einem Mobilfunkunternehmen. Auf den dreidimensionalen Luftbildaufnahmen von Siedlungen und Städten konnten die Netzbetreiber genau sehen, wo die höchsten Häuser stehen und der Bau einer Antennenanlage günstig ist. Auch in der Landwirtschaft gäbe es Einsatzmöglichkeiten, sagt Ralf Jaumann, zum Beispiel als Datengrundlage zum Ausbringen von Dünger. Nur fehlt es der Landwirtschaft offenbar am Kleingeld.

Das Institut für Planetenforschung in Adlershof gehört zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Die Mars-Mission ist nur eines von vielen aktuellen Projekten der 80 Mitarbeiter, allerdings das mit der größten Strahlkraft nach außen. Gleich im Foyer des Instituts läuft ein animierter Film über die Mars-Mission, inklusive der Simulation eines Landemanövers auf der Oberfläche, das so nie stattgefunden hat. Der „Mars-Lander“, ein Miniraumschiff von der Größe eines Gymnastikballs, wurde nach dem Verlust des Funkkontaktes für verschollen erklärt. Dass er von der Mars-Kamera entdeckt wird, ist unwahrscheinlich. Die höchste Auflösung der Kamera sind zwei Meter pro Bildpunkt.

In Adlershof ist man sehr stolz, mit den Mars-Fotos in 3-D den Amerikanern etwas voraus zu haben. Eine genaue Kartierung der Marsoberfläche werde jetzt möglich, sagt Jaumann. Die Leute von der US-Raumfahrtbehörde Nasa, denen die Landung auf dem Mars mit ihrem „Rovern“ geglückt ist, wissen nun, wo sie hinfahren müssen.

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