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Plakettenpflicht: Das Umweltwunder ist ausgeblieben

100 Tage gibt es sie nun, die Plakettenpflicht im Zentrum Berlins. Fast alle Autofahrer halten sich daran. Die Luft ist aber nicht rein. Trotz Umweltzone werden weiterhin hohe Feinstaubwerte gemessen.

Die meisten Berliner Autofahrer haben inzwischen eine Umweltplakette für ihre Fahrzeuge erworben. Plakettensünder werden immer seltener erwischt. Ein Wunder in Sachen Umwelt- und Gesundheitsschutz hat die Einführung der Umweltzone in Berlin zu Beginn dieses Jahres allerdings bisher nicht gebracht. So wurden die Grenzwerte der Europäischen Union (EU) für Feinstaub an stark befahrenen Strecken wie der Frankfurter Allee oder der Silbersteinstraße von Januar bis Ende März 2008 bereits mehrfach überschritten. Das ist die erste Bilanz der neuen Umweltzone. Die Plakettenpflicht gilt seit genau einhundert Tagen.

Um die stark gesundheitsschädliche Feinstaubbelastung der Luft zu verringern, dürfen seit dem 1. Januar nur noch Benzinfahrzeuge mit einem geregelten Katalysator in die mit 270 Schildern ausgewiesene Umweltzone innerhalb des S-Bahnringes einfahren. Dieselfahrzeuge müssen mindestens die Abgasnorm „Euro 2“ erfüllen. Wer diese Voraussetzungen nachweist, kann sich beispielsweise in seiner Kfz-Werkstatt die grüne Plakette für „Benziner“ besorgen oder einen andersfarbigen Aufkleber für Dieselautos.

Rund 1,22 Millionen Plaketten wurden bisher erworben, die weitaus meisten für die rund 1,3 Millionen zugelassenen Berliner Kraftfahrzeuge – von denen allerdings rund 70 000 abgastechnisch so veraltet sind, dass sie keinen Aufkleber mehr erhalten. Mitte Dezember 2007 waren erst 670 000 Plaketten verkauft. Damals machte sich der Senat noch Sorgen, dass viele Berliner den Start der Umweltzone „verschlafen“ würden.

Doch besonders im Verlauf des Februars gab es dann einen letzten großen Ansturm auf die Plaketten. Mit gutem Grund, denn bis Ende Januar waren die Ordnungsämter noch kulant. Erst ab Februar werden die fehlenden Aufkleber an der Windschutzscheibe mit 40 Euro Bußgeld und einem Strafpunkt geahndet. Wie stark dies den Plakettenverkauf beschleunigte, zeigen beispielsweise die Zahlen aus Kreuzberg-Friedrichshain. Dort wurden im Februar 959 Anzeigen wegen unerlaubten Einfahrens in die Umweltzone geschrieben. Im März waren es nur noch 129, obwohl nicht weniger kontrolliert wurde. Auch andere Bezirke bestätigten gestern auf Anfrage diese Entwicklung. Gudrun Heidrich-Joswig, Leiterin des Neuköllner Ordnungsamtes: „Die Zahlen gehen deutlich runter.“ Auch auswärtige Berlin-Besucher sind nach den Erfahrungen der Behörden inzwischen meist mit dem Aufkleber unterwegs. Viele Touristen lassen sich die Aufkleber vorab von ihren Hotels besorgen. „Das funktioniert prima“, hieß es gestern im Hotel Adlon.

Ob sich der gewaltige Aufwand für die Umweltzone allerdings rentiert, indem die Belastung mit Feinstaub nachweislich abnimmt, lässt sich aus Sicht der Senatsumweltverwaltung „jetzt noch nicht sagen.“ Eine „seriöse Bilanz“ könne man erst nach einem Jahr ziehen, erklärte deren Sprecherin, Marie-Luise Dittmar, gestern. So lange werde an den Hauptverkehrsstraßen weiter kontinuierlich gemessen. Die Ergebnisse lassen sich über einen kürzeren Zeitraum kaum mit den Vorjahresergebnissen vergleichen, weil das Wetter bei der Feinstaubbelastung eine entscheidende Rolle spielt. So schlagen sich die Staubpartikel an feuchten und kühlen Tagen schneller nieder. Im nassen Sommer 2007 wurden die EU-Grenzwerte für Feinstaub deshalb nur äußerst selten überschritten.

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