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Berlin: Plastiken aus Metall

In der Villa Hamspohn zeigt eine Sonderausstellung bronzene Tierskulpturen Sie stammen von den Berliner Sezessionisten Max Esser und August Gaul

Naiv, ja, vielleicht ein bisschen. Aber das kann man Max Esser und August Gaul nicht vorwerfen. Aus heutiger Sicht wirken ihre Tierskulpturen wohl ein wenig unbedarft. Doch damals, zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, waren sie neu, da gab es so etwas noch nicht. Gauls „Erpel“ zum Beispiel, eine etwa 40 Zentimeter hohe Bronzeplastik, ein naturgetreues Abbild. Sie schmückte einst in der Leipziger Innenstadt einen Brunnen. Und wie aus dem kalten Metall ein Vogel wurde, der stolz seine Brust schwellt und seine Flügel flach an den Körper legt, das faszinierte nicht nur kleine Kinder, sondern auch Erwachsene.

Heute steht eins der insgesamt sechs Exemplare von August Gauls Erpel in der Villa Hamspohn am Großen Wannsee. Gleich neben Max Essers startendem Schwan. Der Kunstsammler Jörg Thiede zeigt hier in einer Sonderausstellung mehrere Dutzend Werke der beiden Berliner Sezessionisten, die in einem besonderen Verhältnis zueinander standen: Esser war Gauls Schüler, er eiferte seinem Lehrmeister in Sachen Naturverbundenheit und Perfektion nach. Bei Gaul begründete sich die Begeisterung für die Tierwelt mit einer Dauereintrittskarte für den Berliner Zoo. Dort soll er stundenlang Vögel, Raubtiere oder Affen studiert und gezeichnet haben. Um sie später plastisch werden zu lassen.

„Gaul war einer der wichtigsten Vertreter der Berliner Bildhauerschule“, sagt Kunstsammler Jörg Thiede, der sich mit der Eröffnung seines Hauses im vergangenen Frühjahr auf die Zeit der Berliner Sezession um 1900 spezialisiert hat. Die Zeit um die Jahrhundertwende sei eine Hochzeit im hauptstädtischen Kulturleben gewesen. „Das wollen wir hier darstellen.“ Neben der Sonderausstellung sind in der zweigeschossigen Villa auch Gemälde von Franz Skarbina oder Carl Saltzmann zu sehen.

Mit Saltzmann fing Thiedes Kunstbegeisterung überhaupt an. In Potsdam kaufte der Unternehmer die am idyllischen Griebnitzsee gelegene Villa des Marinemalers und zeigte dort seine über Jahrzehnte gewachsene Privatsammlung. Mittlerweile hat er das Haus an den Dirigenten Christian Thielemann verkauft. Sein neues Domizil in unmittelbarer Nachbarschaft zum ehemaligen Wohnsitz von Max Liebermann erwarb er vor zwei Jahren. 4,5 Millionen Euro ließ sich Thiede die Restaurierung der bis dahin vom Ruderverein der Post genutzten und dementsprechend verschlissenen Villa kosten. Ein Großteil der Kosten finanzierte er über Bankkredite.

Mit seinem Kunstsalon, den Thiede gemeinsam mit seiner Ehefrau betreibt, plant der studierte Wirtschaftswissenschaftler, die Gegend um den Wannsee zu einem festen Kulturstandort zu machen. Eine Art kleines Kulturforum auf halber Strecke zwischen Potsdam und Berlin, zwischen Schloss Sanssouci und dem Kulturforum am Potsdamer Platz. Die Voraussetzungen dafür sind denkbar gut, schließlich lockt die Liebermann-Villa gleich nebenan Zehntausende Besucher jährlich. Ein Zustrom, von dem auch Thiede profitiert: Seit der Eröffnung seines Hauses im vergangenen Frühjahr kamen bereits 20 000 Gäste.

Die Sonderausstellung zu Gaul (1869–1921) und Esser (1885–1945) läuft noch bis März. Ermöglicht wurde sie durch private Leihgaben, die im Obergeschoss des Hauses zu sehen sind. Vor allem jüngere Besucher würden sich freuen, dass die Schau nichts von der musealen Steifheit anderer Ausstellungen hat, sagt Thiede. Die Plastiken berühren, die Hände über das Kühle Metall gleiten lassen, um die eleganten Formen der Tiere zu spüren, ist hier ausdrücklich erlaubt.

Villa Hamspohn, Am Großen Wannsee 40, Do–So 11 bis 17 Uhr.

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