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Gerd Appenzeller

© Mike Wolff

Platz am U-Bahnhof Alt-Tegel: Bedrohte Idylle

Zwischen Gorkistraße und dem Platz Alt-Tegel fehlt eine Unterführung.

In Tegel können Stadtplaner und Projektentwickler heute in der Praxis bewundern, wie man aus einer einstigen Industriebrache ein gelungenes Einkaufszentrum macht – und wie man mit diesem Erfolg wenige hundert Meter entfernt ein gewachsenes Ortszentrum Stück für Stück demontiert. Der Boom der Borsighallen ist ein Desaster gleichermaßen für die Markthalle in der Gorkistraße wie für Geschäfts- und Restaurantkultur in der Berliner Straße, rund um den Platz und an der Straße Alt-Tegel. Mit der Schließung des Karstadthauses wurde auch noch das Ankergeschäft herausgerissen. In Tegel findet man die Beweisführung für die These, dass ein qualitativ im mittleren Segment angesiedeltes Kaufhaus keine Gefahr, sondern eher ein starker Magnet für den örtlichen Einzelhandel ist.

Man muss Geschäftsleuten und Bezirk bescheinigen, dass sie sich redlich und durchaus nicht ohne Erfolg bemühen, die Situation rund um den Platz Alt-Tegel zu stabilisieren. Wogegen sie wenig tun können, ist der Wandel in der Sozialstruktur. Bis zur Wende war Tegel durch eine nicht eben reiche, aber relativ gut situierte Einwohnerschaft charakterisiert. Die Menschen verdienten anständig, sie kauften und konsumierten gerne im eigenen Kietz. Markthalle plus Karstadt zogen Kaufkraft aus dem ganzen Norden an, auch die gut betuchten Frohnauer ließen hier Geld liegen. Viele von ihnen kommen immer noch – am Samstag gegen 14 Uhr wird in der Markthalle beim Italiener fröhlich gebechert, und es ist keine Plörre, die da in den Weingläsern funkelt. Aber wer heute an einem Samstagvormittag durch die Gorkistraße geht, erkennt auch, dass viele Menschen hier sparen müssen. Umso wichtiger ist es, die Attraktivität von Platz und Fußgängerzone zu steigern. Könnte man beides nicht nur durch enge U-Bahntreppen, sondern durch eine großzügige Unterführung der Berliner Straße verbinden, wäre schon viel gewonnen. Auf der einen Seite einkaufen, auf der anderen Richtung See bummeln, Kaffee trinken, Eis essen oder am Abend in einem der vielen zur Straße Alt-Tegel hin offenen Restaurants speisen, das wäre eine attraktive Arbeitsteilung.

Ob der Untergrund des Platzes Alt-Tegel die Anpflanzung von Bäumen erlaubt, weiß ich nicht. Schön wäre das, auch, wenn sie schon ein bisschen größer wären. Und dass man auf Dauer auf Bänke verzichten muss, nur weil sich abends ein paar Suffköpfe auf ihnen breitmachen könnten, will mir nicht so recht einleuchten.

Verglichen mit den Sorgen anderer Plätze in Berlin mag das alles marginal sein. Aber Tegel ist ein wunderschöner Ausflugs- und Einkaufsort, für Touristen interessant, und gut wohnen kann man dort auch. Ein bisschen Ferienidylle fast – ich fände gut, wenn es so bliebe.

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