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Berlin: Plötzlich waren Zarah Leanders Pelze weg

Kleine Geschichten zu großen Stars: Die Stadtrundfahrt „Diven-Tour“ führt zu den Adressen einstiger Filmgrößen

Die Düsseldorfer Straße ist fast menschenleer. Der Kleinbus, der vor der Nummer 47 hält, fällt da sofort auf. Seine Insassen starren ehrfürchtig auf das Haus. Eine junge Frau, die gerade auf dem Bürgersteig vorbeigeht, guckt verwundert. Hätte sie die „Diven-Tour“ von Birgit Wetzig-Zalkind mitgemacht, wüsste sie nun Bescheid. Wie die Fahrgäste im Bus hätte sie erfahren, dass in dem unauffälligen Mietshaus einst „das süßeste Mädel der Welt“ lebte. Briefe, auf denen nur diese Angabe als Adresse stand, kamen damals trotzdem an – bei Ufa-Filmstar Lilian Harvey.

Die 1906 als Lilian Pape in London geborene Schauspielerin kann man auch sehen. Auf einem historischen Foto, das Birgit Wetzig-Zalkind im Bus herumgehen lässt, steht die Harvey mit ihrer Mutter auf dem Balkon der Parterrewohnung in der Düsseldorfer Straße 47. Von 1925 bis 1930 lebte sie hier – mit steigendem Ruhm (und steigenden Gagen) bevorzugte sie später Villen in Westend und Babelsberg. Gleich ihr erster Tonfilm „Liebeswalzer“ hatte die zarte Blondine 1930 berühmt gemacht – Willy Fritsch und sie galten von da an als das deutsche Film-Traumpaar.

Die Berliner Klatschpresse beschäftigte sich dabei damals weniger mit den Filmen der beiden wie „Der Kongress tanzt“, sondern mehr damit, ob Harvey und Fritsch noch oder schon wieder privat ein Paar sind. Auto fuhren sie jedenfalls getrennt – sie einen weißen, er einen schwarzen Mercedes. Ihre Autokennzeichen waren stadtbekannt und unterschieden sich nach dem IA für Berlin nur durch eine Eins – die Harvey hatte fünf davon, Fritsch vier. Diese und andere Geschichten über Stars vergangener Zeiten werden von Birgit Wetzig-Zalkind bei ihrer „Diven-Tour“serviert, die sie jeden Sonntag am Savoy-Hotel startet. Die Exkursion zu den ehemaligen Wohnstätten berühmter Berlinerinnen vergangener Zeiten ist dabei nur ein Touren-Angebot der diplomierten Journalistin. 1989 war die gebürtige Mecklenburgerin nach Abschluss des Journalistikstudiums in Leipzig über Ungarn in den Westen getürmt. Dreizehn Jahre war sie als Musikredakteurin bei Radiosendern in Berlin, Hamburg, Schwerin und Hannover tätig, interviewte Stars wie Robbie Williams und Mariah Carey – und wurde arbeitslos.

Jammern ist nicht, sagte sich die 38-Jährige und gründete vor einem Jahr ihr Unternehmen Sta-Tours, mit dem sie Berlin von seiner glamourösen Seite zeigt. So richtig leben kann sie davon zwar noch nicht, aber sie glaubt an ihr Konzept, statt Reichstag und Brandenburger Tor die Adressen vergangener Größen zu zeigen. In Los Angeles gehören Moviestar-Touren zu den gefragtesten Stadtrundfahrten, weiß sie, und schließlich gibt es in Berlin mindestens genauso viele berühmten Namen.

Nach dem Motto „Klasse statt Masse“ lernen jeweils bis zu sieben Fahrgäste im klimatisierten Bus nicht nur prominente Berlinerinnen im Bild kennen, sondern auch im Ton. Zarah Leander singt beispielsweise mit tiefer Stimme, während die Diven-Tour vorm ehemaligen Wohnsitz stoppt. Ilse Werner pfeift natürlich.

Birgit Wetzig-Zalkind dagegen kann nach der „Diven-Tour“ kaum noch reden. Zwei Stunden lang erzählt sie, was sie ein Jahr lang in Archiven und Bibliotheken über die „Göttlichen“ recherchierte – wo diese lebten, liebten und manche auch tragisch starben. So wie Renate Müller – in den 30er Jahren im Film der Typ des deutschen Mädchens. Als Goebbels vergeblich versuchte, sie an Hitler zu verkuppeln, bekam sie nur noch Rollen in Propagandafilmen. Um diesen zu entgehen, wollte sie sich verletzen und stürzte sich 1937 in der Düsseldorfer Straße 69 aus dem ersten Stock. Sie kam ins Krankenhaus, wo sie verstarb. Der Tod dort ist bis heute mysteriös, denn Renate Müllers Verletzungen waren alles andere als lebensgefährlich.

Wetzig-Zalkind weiß schier Unerschöpfliches aus dem Leben der Stars: Plaudert darüber, wie Hubert von Meyerinck bei Ilse Werner in der Gustav-Freytag-Straße 6-8 bei Bombenalarm Schutz suchte – im Garten ihrer Villa hatte diese ein selbst gegrabenes Erdloch. Erzählt, dass Marlene Dietrich nach der Premiere ihres „Blauen Engels“ nicht mehr in die Nassauische Straße 30 zurückging, sondern 23 Uhr vom Bahnhof Zoo nach Bremen und von dort aus nach Amerika düste. Schildert, wie Zarah Leander am Wildpfad 24 ihre Pelze und Teppiche vom Balkon warf, um sie vor einer Brandbombe zu retten und die teure Pracht in der teuren Gegend „zappzerapp“ vom Erdboden verschwand. Weiß, dass die Schwedin vor jedem Film Diät halten musste und die Kodderschnauze Grete Weiser ihr empfahl, statt Schnaps doch mal Weinschorle zu trinken – „das macht nicht so fett“. Amüsiert ihre Zuhörer mit der Anekdote um die „Verwandtschaft“ der Weiser mit der Kaiserin Soraya – einer ihrer sieben Pekinesen und ein kaiserlicher Vierbeiner hatten einen gemeinsamen Stammbaum.

Brigitte Horney, Marianne Hoppe, Pola Negri, Asta Nielsen – über viele, viele Schauspielerinnen erfährt der Diven-Tourist interessante Details. Birgit Wetzig-Zalkind erzählt vom Aufstieg Olga Tschechowas, die nach 1945 von den Russen mit Wohnung, Autos und Personenschutz protegiert wurde. Der Skandal um Lida Baarova, die einst mit Joseph Goebbels von Gustav Fröhlich in flagranti erwischt worden war, spielt ebenso eine Rolle, wie der Blackout von Käthe Haack. Sie hatte bei einem Empfang des Propagandaministers heiße Schokolade mit Kakaolikör „verwechselt“. Mit schwerer Schlagseite verließ sie die Fete gen Heimat. In der Mommsenstraße 53 fiel ihr ein, dass sie schon zwei Jahre woanders wohnte. Da hatte sie aber schon eine kleine Ewigkeit am Schloss herumgefummelt.

Sta-Tours, Telefon 30 10 51 51, Internet www.tours.com. Die Diven-Tour zu 27 Adressen kostet 49 Euro.

Heidemarie Mazuhn

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