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Berlin: Politiker wagen mehr Demokratie in den Bezirken

Mehrheit für eine Änderung der Verfassung steht. Künftig gibt es Bürgerentscheide und Fragestunden

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Bürger können sich bald stärker in die Bezirkspolitik einmischen. Ihre Rechte, sich zu informieren und kommunale Entscheidungen zu beeinflussen, sollen kräftig erweitert werden. Eine „große Koalition“ aus SPD und PDS, Grünen und FDP hat sich im Abgeordnetenhaus darauf geeinigt, die Verfassung und das Bezirksverwaltungsgesetz entsprechend zu ändern. Das Kernstück der Reform ist ein bezirklicher Bürgerentscheid.

Er funktioniert ähnlich wie ein Volksbegehren auf Landesebene. Ein bezirklicher Bürgerentscheid hat, wenn er erfolgreich ist, die Wirkung eines Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung. Das gilt auch für sensible Themen wie Bebauungspläne oder die Übertragung bezirklicher Einrichtungen an private Träger. „Nichts wird ausgeschlossen; das haben wir gegen Bedenken der SPD durchgesetzt“, sagt der FDP-Abgeordnete Alexander Ritzmann. Mündige Bürger bräuchten liberale Gesetze. Damit setze sich Berlin bundesweit an die Spitze.

Noch liegt die Hauptstadt allerdings ganz hinten. In allen anderen Ländern gibt es kommunale Bürgerentscheide. SPD und PDS hatten zwar im Koalitionsvertrag die Initiative ergriffen und SPD-Chef Müller sprach von einem „zentralen Projekt der rot-roten Regierung“. Aber es dauerte drei Jahre, bis sich für die notwendige Verfassungsänderung eine Zweidrittelmehrheit fand. Der Parlamentsantrag, der mit den Grünen und der FDP erarbeitet wurde, „kann jetzt zügig im Abgeordnetenhaus beraten werden“, sagte der Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann. Nur die CDU-Fraktion sei aus der gemeinsamen Arbeitsgruppe „sang- und klanglos ausgeschert“.

Neu eingeführt wird auch eine Einwohner-Fragestunde; und zwar als Teil der öffentlichen Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung. Außerdem soll das Bezirksamt „zur Erörterung wichtiger Bezirksangelegenheiten mit der betroffenen Einwohnerschaft Versammlungen durchführen“. Und wenn ein Prozent der Bürger (über 16 Jahre) unterschreibt, muss sich die BVV mit einem Einwohnerantrag befassen, der allerdings nur empfehlenden Charakter trägt. Außerdem werden das Bezirksamt und die BVV verpflichtet, die Bürger über den kommunalen Haushaltsplan und wichtige Entwicklungspläne „frühzeitig und in geeigneter Form“ zu unterrichten.

Gestärkt werden auch die Rechte der Bezirksverordneten. Sie erhalten ein weitgehendes Recht, bezirkliche Akten einzusehen und die BVV darf künftig auch über die bezirklichen Anmeldungen zur landesweiten Investitionsplanung, über die Bereichsentwicklungsplanung und Änderungsanträge zur Flächennutzungsplanung entscheiden. Zur geplanten Reform, so der PDS-Abgeordnete Peter-Rudolf Zotl, sollen im Parlament noch der Rat der Bürgermeister und der bundesweit agierende Verein „Mehr Demokratie“ angehört werden. Der CDU-Abgeordnete Matthias Wambach warnte gestern allerdings davor, „die Sache übers Knie zu brechen“. Die Union habe verfassungsrechtliche Bedenken, wolle die Ortsteile stärker einbinden und verhindern, dass Bürgerentscheide von finanzkräftigen Lobbyverbänden missbraucht werden.

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