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Berlins Innensenator Geisel vor Polizisten.

© imago images / Christian Ditsch

„Politischer Versuch, zu entmündigen“: Wie das Antidiskriminierungsgesetz die Loyalität der Polizei belastet

Das Antidiskriminierungsgesetz von Rot-Rot-Grün könnte folgenreich für die Berliner Polizei sein. Es droht die Zerrüttung zwischen Beamten und Dienstherrn.

Er war lange Jahre der Chefjustiziar der Berliner Polizei, seit 2017 bildet er als Dozent für Strafrecht und Strafprozessrecht angehende Polizisten aus. Oliver Tölle gilt als ein Urgestein in der Behörde.

Der Jurist hat sich für den Tagesspiegel das neue Antidiskriminierungsgesetz, das am Donnerstag mit rot-rot-grüner Mehrheit, auf Antrag der AfD in namentlicher Abstimmung beschlossen werden soll, näher angeschaut.

Tölles Urteil: „Hier wird politisch versucht, die Polizei zu entmündigen und kleinzumachen. Dieses Gesetz ist rein von Interessen geleitet. Es gibt bereits Rechtsschutz gegen Diskriminierung und umfangreiche Kontrollmechanismen auch in der Polizei.“

Der Jurist Tölle vermisst im Gesetz vor allem einen grundlegenden Hinweis auf Artikel 20 des Grundgesetzes, wonach Behörden und Beamte stets an Recht und Gesetz gebunden sind.

Nach dem von den Grünen angestoßenen Gesetz sollen Bürger, wenn sie sich durch Berliner Behörden diskriminiert fühlen, künftig auf Schadenersatz klagen können. Das Gesetz sieht zugleich eine Ombudsstelle vor, die Betroffene unterstützt und Auskunftsrechte gegenüber den Behörden hat. Auch Verbände dürfen im Namen der Opfer klagen.

Diversity-Kompetenz für Berlins Behörden und Beamte

Beklagte Behörden müssen den Gegenbeweis antreten. Zuständig sind aber nicht wie sonst bei Klagen von Bürgern gegen Behörden die Verwaltungs-, sondern Zivilgerichte: Sie können, wenn eine Diskriminierung überwiegend wahrscheinlich erscheint, Schadenersatz anordnen.

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Daneben sieht das Gesetz Fortbildungen für Landesmitarbeiter vor. Die Diversity-Kompetenz soll gestärkt werden.

Kritiker sprechen hingegen von Generalverdacht gegen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und Beweislastumkehr.

Opfer erleben lange Beschwerdewege

Die Grünen sehen aber keinen Grund zur Sorge und rechnen mit einer geringen Zahl an Fällen. Ursula Engelen-Kefer vom Sozialverband Deutschland in Berlin und Brandenburg begrüßt das Gesetz.

Berater und Rechtsanwälte berichteten immer wieder, „wie sehr oftmals von Diskriminierung betroffene Personen auf Entlastung bei einem in der Regel langen Beschwerdeweg angewiesen sind, um zu ihrem Recht zu kommen“.

Das Antidiskriminierungsgesetz - ein grünes Projekt

Doch bei der Polizei bricht sich der Unmut über das Gesetz Bahn. Politisch ist die Lage heikel, weil es um die Loyalität gegenüber dem obersten Dienstherrn geht.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nannte das Gesetz „einen Wahnsinn“, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) findet es „schäbig“.

Andreas Geisel (SPD), Innensenator von Berlin.
Andreas Geisel (SPD), Innensenator von Berlin.

© Christoph Soeder/dpa

Innensenator Andreas Geisel (SPD) machte es nicht besser, als er vor einer Woche nach langem Schweigen zur Kritik am Gesetzentwurf erklärte: „Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.“

Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), konterte: „Wir sind uns sicher, dass sich der Innensenator mit seinen Aussagen zum Gesetz keine Freunde unter unseren Kolleginnen und Kollegen macht.“

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Die Anmerkungen und Befürchtungen der GdP zum Gesetzentwurf von Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) seien nicht berücksichtigt worden – stattdessen: „absolute Beratungsresistenz“.

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Schließlich fordern alle Landesverbände der GdP, die größte Gewerkschaft in der Polizei, in einem offenen Brief die Fraktionen im Abgeordnetenhauses auf, das Gesetz abzulehnen.

Auch der Gesamtpersonalrat der Polizei warnte Innensenator Geisel nun in einem Schreiben vor „unabsehbaren Folgen“ und forderte ihn auf, das Gesetz nicht zu unterstützen.

Der Vorsitzende des Berufsverbands „Unabhängige“, Mirko Prinz, der auch Vorsitzender des Gesamtpersonalrats ist, rief Polizei-Personalräte in Bund und Ländern dazu auf, Unterstützungseinsätzen in Berlin nicht mehr zuzustimmen.

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