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Schluss mit lustig. Der CSD will dieses Jahr Hörner zeigen.

© dpa

Politisierte Homosexuellen-Parade: Christopher Street Day zieht dahin, wo der Spaß aufhört

Dieses Jahr wird beim Christopher Street Day vieles anders. Aus Protest gegen Diskriminierung zieht die Parade zum Beispiel an der russischen Botschaft vorbei.

Alles wie immer? Hauptsache Spaß, Party, lustige Tunten, nacktes Fleisch, das Ganze garniert mit ein paar politischen Forderungen? Nein, dieses Jahr wird beim Christopher Street Day am 23. Juni vieles anders. Und das liegt nicht nur an der von Fanmeile, Fashion Week und U2-Baustelle erzwungenen, einschneidenden Änderung der Route. Es liegt an einer neuen Welle von Diskriminierung, die aus Berliner Sicht quasi vor der Haustür stattfindet. In St. Petersburg, jener Stadt, die sich als die europäischste ganz Russlands begreift, steht öffentliche Darstellung von Homosexualität oder auch nur ihre Erwähnung in positivem Zusammenhang seit dem 7. März unter Strafe – angeblich, um Kinder zu schützen. 20 Menschen sollen schon verhaftet worden sein, ihnen droht eine hohe Geldbuße. Und das Gesetz ist in die Duma eingebracht worden, es könnte bald im ganzen Land gelten. „Ähnliche Entwicklungen gibt es in Ungarn und Finnland, also in der EU, oder in Aserbaidschan, wo demnächst der Eurovision Song Contest stattfindet“, sagt Robert Kastl vom organisierenden CSD e.V. In diesen Ländern hört für Schwule der Spaß auf.

Deshalb soll der CSD dieses Jahr – unter dem Motto „Wissen schafft Akzeptanz“deutlich politischer werden als bisher. Der Friedrichstadt-Palast erhält einen Sonderpreis für Zivilcourage, weil er, so die Veranstalter, der einzige größere Wirtschaftsbetrieb sei, der gegen das neue Gesetz in St. Petersburg demonstriert hat. Laufende Verhandlungen mit russischen Investoren, die die erfolgreiche Show „Yma“ nach Moskau bringen wollten, wurden abgebrochen, Gastspiele in Berlin aufgekündigt. „Es gibt Momente, in denen man Haltung zeigen muss“, sagt Berndt Schmidt, Intendant des Friedrichstadt-Palastes. Sein Haus habe in Russland einen guten Ruf, es galt früher aus Sicht der Sowjets schon fast als West-Theater, im Ensemble gibt es viele russische Tänzer und Artisten.

Ebenfalls deutlich offensiver als die zwar glamouröse, aber auch harmlose und ungefährliche Route über den Kurfürstendamm ist die neue Route, die mit jeglicher CSD-Tradition radikal bricht. Sie beginnt, erstmals überhaupt, in Kreuzberg in Kotti-Nähe und berührt auf ihrem Weg die SPD-Parteizentrale, das Abgeordnetenhaus, das Denkmal für ermordete Homosexuelle im Tiergarten, das Holocaust-Mahnmal, die russische Botschaft und den Reichstag und endet am Brandenburger Tor. Politische Aktionen sind angekündigt, welche genau, will Robert Kastl noch nicht sagen. SO 36 wird an diesem Tag jedenfalls noch voller sein als sowieso schon. Denn auch der (alternative) transgeniale CSD zieht hier durch, allerdings erst am Nachmittag.

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