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Berlin: Polizei hält Ken M. für zurechnungsfähig

Die Ermittler prüfen einen sexuellen Hintergrund der Bluttat. Beim Kiezfest in Zehlendorf sprachen Nachbarn über den Mord an Christian

Trotz der großen Brutalität, mit der der 16-jährige Ken M. (Name geändert) den siebenjährigen Christian Sch. getötet hat, geht die Polizei nicht von einer geistigen Störung des Jugendlichen aus. Wie berichtet, sucht die Mordkommission jetzt auch intensiv nach einem sexuellen Hintergrund der Tat. In der ersten Woche der Ermittlungen hatte die Kripo ein sexuelles Motiv gegenüber der Öffentlichkeit ausgeschlossen – obwohl die Leiche des Kindes nackt unter einer Plane gefunden worden war. Die Kleidung will der mutmaßliche Täter in der Nähe weggeworfen haben, so sagte er in seinem Geständnis. Doch dort fand die Polizei Hemd und Hose nicht – und das machte die Ermittler stutzig. Zudem lässt sich der seit langem polizeibekannte Jugendliche nicht näher auf seine Motive ein. Gesichert wäre ein sexuelles Motiv, wenn die Spurensicherung an der Kleidung Sperma feststellen würde. Die bei der Obduktion festgestellten inneren Verletzungen könnten auch auf pure Lust am Quälen zurückzuführen sein, hieß es gestern bei der Polizei.

Die in Zehlendorf kursierenden Gerüchte, nach denen Ken bei dem Mord von anderen unterstützt wurde oder es zumindest Mitwisser gebe, wies die Polizei zurück. Vergleichbar sei die Tat nur mit dem Mord an der 14-jährigen Nina Aul im Juni 2000. Ihr damals 27 Jahre alter Cousin hatte das Mädchen im Weddinger Volkspark Humboldthain mit 70 Messerstichen getötet und ihr dann einen 54 Zentimeter langen Ast in den Körper gerammt. Im Prozess hatten die Gutachter ein sexuelles Motiv nicht gesehen – im aktuellen Fall werden Gutachter diese Frage klären müssen. Der zu lebenslanger Haft verurteilte Mörder 14-Jährigen hatte sich drei Jahre nach der Tat in seiner Tegeler Zelle selbst verbrannt. Ken M., der in der Jugendstrafanstalt Plötzensee in Untersuchungshaft sitzt, steht wegen Selbstmordgefahr unter Beobachtung.

Über den Mord wurde gestern auch auf dem Kiezfest auf dem Sportplatz Sachtlebenstraße unweit des Tatorts diskutiert. Absagen wollten die Veranstalter, soziale Einrichtungen und der Runde Tisch Zehlendorf-Süd, das Fest nicht. Es sollte ein „Tag der Begegnung und des Gesprächs“ werden. Vereine hatten Infotische aufgebaut, die Polizei gab Warnschilder „Vorsicht! Wachsamer Nachbar“ aus, das Bühnenprogramm war abgesagt. „Nach der unfassbaren Tat besteht die Gefahr, dass sich die Nachbarschaft spaltet. Deswegen freue ich mich, dass es hier Gelegenheit zum Austausch gibt“, sagte Jugendstadträtin Anke Otto (Grüne). Sie nahm eine Unterschriftenliste entgegen, in der Eltern fordern, die beiden Stellen für die Streetworker nicht zu kürzen, sondern die wenigen Stunden aufzustocken. Einige Anwohner haben wie Anke Otto bemerkt, dass in der Wohngegend jetzt völlig unbeteiligte, vor allem dunkelhäutige Jugendliche geschnitten werden. Ken M. ist, wie berichtet, Sohn eines farbigen US-Soldaten.

Die Stadträtin sagte, dass der Bezirk den Eltern des ermordeten Jungen weiter psychologische Hilfe anbieten werde. Derzeit kümmern sich Psychologen der Polizei und der Feuerwehr um sie. Auch auf die Jugendlichen aus dem Bekanntenkreis von Ken müsse man zugehen, damit sie nicht weiter von der Gesellschaft abrücken. Ein Vater, der nahe dem Tatort mit Kindern Musicals aufführt, erzählte, dass einige Kinder die Tat verarbeiten, indem sie sie nachspielen. Eine Mutter, die die Familie des Opfers gut kennt, sammelte Spenden für die Beerdigung. Sie hofft wie andere Anwohner auch, dass die verwilderte Brache mit heruntergetretenem Zaun, auf der die Tat geschah, gerodet wird. Der von seinen Eltern früh verstoßene Ken hat seine Tat vielleicht auch aus Neid auf die intakte Familie von Christian begangen, meinten einige Nachbarn. Dann wurde es still. Schweigeminute.

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